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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Autoren: Annette Lies
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während ich meinem Ziehharmonika-Männchen Riemchensandalen und das Logo von Skyline aufmale, die stilisierten Spitzen weltberühmter Gebäude.
    Das einzig Gute daran, dass ich mir unter der globalen Generation Praktikum um mich herum immer weniger Chancen ausrechne, ist, dass auch meine Nervosität erheblich sinkt.
    Als die Gruppenpräsentationen beendet sind und das Bastel-Chaos beseitigt, verkündet Frau Dr. Hartmann, bevor sie und ihre Assistentinnen den Raum verlassen: »Wir verteilen jetzt Karten, auf denen eine Fluggast-Situation steht, die Sie dann individuell in den Nebenräumen erwartet. In ein paar Minuten rufen wir Sie einzeln auf.«
    Hektisch stürzt sich Pessimismus-Barbie auf mich. »Was hast du gekriegt?«
    Ich blicke auf die laminierte Karte in meinen Händen: »Sie befinden sich auf einem sogenannten Dark Flight«, lese ich, »das komplette Entertainment-System auf der Langstrecke ist ausgefallen. Ein Kunde in der Businessclass ist besonders verärgert.«
    »Hör mal, du musst mit mir tauschen!«, verlangt Sandra. »Ich weiß, wie man das macht. Deine Situation ist total schwer. Du solltest lieber meinen Übergewichtigen dazu bringen, sich vom Notausgang wegzusetzen!«
    Eine Führungsposition bei einer Drückerkolonne wäre ihr in jedem Falle sicher, denke ich. Noch bevor ich reagieren kann, höre ich meinen Namen. Mit der Ruhe eines statischen Terrakotta-Kriegers folge ich Frau Dr. Hartmann höchstpersönlich in mein Einzelgespräch. Ohne Vorwarnung beginnt sie mit einer Kostprobe ihres beeindruckenden schauspielerischen Könnens.
    Sie setzt sich auf einen Stuhl in der Mitte des Raumes und starrt auf einen kleinen imaginären Bildschirm vor sich. Wütend tippt sie darauf herum, klingelt, und ich eile herbei.
    »Das ist unverschämt! Haben Sie eine Ahnung, was mein Flugticket gekostet hat?! Und jetzt?! Soll ich mich zwölf Stunden langweilen, bis wir in L.A. sind?«
    »Was machen Sie denn in L.A.?«, versuche ich einen ersten Einstieg.
    »Filmgeschäft«, brummt Frau Dr. Hartmann bedrohlich. »Geht Sie aber auch gar nichts an … Reparieren Sie das lieber!«
    »Wow!«, sage ich und strahle sie tief beeindruckt ein. »Und welchen Film wollten Sie jetzt bei uns an Bord sehen?«
    Frau Körner atmet tief durch. »Ich war noch nicht dazu gekommen, Ihr Programm zu begutachten, da war es auch schon kaputt.« Sie klingt eine Mikrospur freundlicher als noch vor wenigen Sekunden.
    »Könnte es denn sein, dass Filme von Ihnen bei uns laufen?«
    »Vielleicht …«, entgegnet sie knapp. »Was haben Sie denn im Angebot?«
    »Also, zurzeit Aviator, Flight Girls und Pearl Harbour …«, erkläre ich ihr ruhig.
    »Die ersten zwei kenne ich schon. Habe ich finanziert. Worum geht es in dem letzten?«, fragt sie scharf.
    Ich setze zu einer Performance an, in der ich mit verstellten Stimmen und großen Gesten authentisch Verwundete, Fallschirme, Doppeldeckerflugzeuge, die hawaiianische Küstenregion und die tief verwurzelte Tradition des Hulas anpreise. Als ich zu einer liegen gelassenen Tüte Fruchtgummi greife und mit einem von Kokos ummantelten Gummibären den Absturz von Ben Affleck in feindliches Gewässer simuliere, kann sie sich das Lachen nicht mehr verkneifen und erlöst mich.
    »Vielen Dank, Frau Loos – für diese, ähm, erfrischende Lösung.« Sie greift zu ihrem Klemmbrett und macht eine Handbewegung, die eine Art Resümee sein muss.
    »Charlotte, wie lief es bei dir? Du hattest ja die Frigide …«, raunt mir Sandra zurück im großen Raum zu.
    Ich beschließe, ganz devot zu schweigen, denn Frau Dr. Hartmann ergreift gerade das Schlusswort:
    »Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Tag bei uns und haben sich trotz der Prüfungssituation wohlgefühlt! In vierzehn Tagen werden wir uns schriftlich mit einer Zu- oder Absage an Sie wenden. Bitte sehen Sie davon ab, sich vorher bei uns zu melden. Ich wünsche Ihnen gutes Heimkommen und ein schönes Wochenende!«
    Erst in vierzehn Tagen – mir schießt der Gedanke an meine Kündigungsfrist in der Agentur durch den Kopf. Wenn ich nicht jetzt im Juli kündige, kann ich, falls Skyline mich wirklich wider Erwarten einstellen will, erst wieder mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gehen, und das würde bedeuten, noch fast ein halbes Jahr unter der Schreckensherrschaft des Milky-Way-Mannes zu verbringen.
    »Ähm, entschuldigen Sie …« Ich trete aus dem Halbkreis hervor, der sich allmählich unter großem »Tschüss!«, »Vielen Dank!« und »Vielleicht
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