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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE
Autoren: Jonathan Kellerman
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sind die Überlebenden«, sagte ich. »Der Trick ist, die Erwachsenen so gut zu füttern, daß sie die Babies nicht auffressen.«
    »Wie haben Sie es geschafft, sie zum Laichen zu bringen?«
    »Es ist von selbst passiert, ich habe gar nichts getan.«
    »Aber Sie müssen es irgendwie vorbereitet haben, so daß es passiert ist.«
    »Ich habe für Wasser gesorgt.« Sie lächelte.
    Wir saßen am Rande des Teichs, die Luft war reglos, und der Wasserfall plätscherte leise. Sie hatte ihre nackten Beine unter dem Rock versteckt. Ihre Finger spielten mit dem Zen-Gras. »Es gefallt mir hier. Könnten wir immer hier miteinander reden?«
    »Warum nicht?«
    »Es ist so friedlich«, sagte sie. Ihre Finger ließen das Gras los und fingen an, miteinander zu spielen. »Wie geht’s ihr?« fragte ich.
    »Ganz gut, nehme ich an. Ich warte immer darauf, daß irgendwas - ich weiß nicht - durchbricht. Daß sie an zu schreien oder durchzudrehen anfängt. Sie sieht beinahe zu gut aus.«
    »Macht Ihnen das Sorgen?«
    »Irgendwie schon. Ich schätze, was mir wirklich Sorgen macht, ist, daß ich nicht weiß, wieviel sie mitbekommen hat. Ich meine, sie sagt, sie sei ohnmächtig geworden und im Krankenhaus wieder aufgewacht, aber…«
    »Aber was?«
    »Vielleicht will sie mir nur etwas ersparen, oder sich selbst, und versucht es aus ihrer Erinnerung zu löschen, zu verdrängen.
    »Ich glaube ihr«, sagte ich. »Die ganze Zeit, die ich sie gesehen habe, war sie bewußtlos. Sie wußte überhaupt nicht, wo sie sich befand.«
    »Ja«, sagte sie, »Dr. Levine sagt das auch. Ich mag ihn, Levine. Bei ihm hat man das Gefühl, er hat viel Zeit und das, was man zu sagen hat, ist wichtig.
    »Freut mich.«
    »Gott sei Dank hat sie jemanden, der gut ist.« Sie wandte sich mir zu, ihre Augen waren feucht. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
    »Das haben Sie schon getan.«
    »Aber es genügt nicht. Was Sie getan haben…« Sie wollte meine Hand ergreifen, ließ es dann aber sein. Sie betrachtete den Teich, sah ins Wasser. »Ich habe mich entschieden«, fuhr sie dann fort, »bezüglich des Studiums. Ich bleibe ein Jahr lang hier, und dann werden wir sehen. Nur ein Semester wäre nicht genug. Es gibt so viele Dinge hier, um die ich mich kümmern muß. Ich habe heute früh in Harvard angerufen, vom Krankenhaus aus, bevor der Hubschrauber ankam. Ich habe ihnen gedankt, daß sie die Frist verlängert haben, und ihnen meinen Entschluß mitgeteilt. Sie sagten, sie würden mich nächstes Jahr übernehmen, wenn mein Notendurchschnitt an der University of California hier in L.A. gut genug ist.«
    »Ich bin sicher, daß er das sein wird.«
    »Schätze ich auch, ich werde meinen Zeitplan darauf einrichten. Noel ist fort. Er kam gestern zu mir herauf, um auf Wiedersehen zu sagen.
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Er sah aus, als ob er ein bißchen Angst hätte, was mich ehrlich gesagt überrascht hat. Ich hatte mir nie vorgestellt, daß er auch mal unsicher sein könnte. Es war beinahe - niedlich.
    Seine Mutter war mit ihm zusammen da. Sie wirkte echt nervös, er wird ihr sehr fehlen.«
    »Haben Sie und Noel vor, miteinander in Kontakt zu bleiben?«
    »Wir haben vereinbart, daß wir einander schreiben wollen. Aber Sie wissen ja, wie das ist, man ist an verschiedenen Orten, und die Erfahrungen, die man macht, sind verschieden. Er ist wirklich ein guter Freund gewesen.«
    »Ja, das stimmt.«
    Sie lächelte traurig.
    Ich fragte: »Was ist?«
    »Ich weiß, er will mehr als das. Das macht mich ganz - Ich weiß nicht - Vielleicht trifft er dort jemanden, der wirklich zu ihm paßt.« Sie beugte sich tiefer über das Wasser. »Die großen kommen ganz nahe heran. Kann ich sie füttern?«
    Ich reichte ihr den Futterbecher. Sie warf eine Handvoll Kügelchen hinein, weit weg von den Babykoi, und sah die erwachsenen Fische danach schnappen und es verschlucken. »Da, freßt«, sagte sie. »Bleibt, wo ihr seid, Himmel, wie gierig die sind - Glauben Sie, daß sie je wieder okay sein wird? Levine sagt, wenn wir ihr genug Zeit lassen, sollte sie wieder zu sich zurückfinden, aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Weshalb zweifeln Sie daran?«
    »Vielleicht ist er nur ein Optimist.« Es klang wie ein Charakterfehler.
    »Nach dem, was ich von Dr. Levine gesehen habe, ist er ein Realist«, sagte ich und erinnerte mich an Ginas Gesicht, umrahmt vom Bettzeug des Krankenhauses, Plastikschläuche, fernes Geklapper von Metall und Glas, eine schmale, bleiche Hand, die meine drückte. Eine
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