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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels
Autoren: Alexander Kröger
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was wir noch veranlassen
müssen, verwirren“, gab AusGarmi zu bedenken.
„Außerdem hat er nach all dem Aufregenden Erholung
nötig.“
„Hast Recht!“ Und über den Mnemographen sagte
AmUlzo: „Ich senke dich in einen Schlaf, Yoshua, bis sich
die Menge zerstreut hat. Dann führe ich dich zu den
deinen.“ Und er verabreichte dem ohnehin Erschöpften eine
leichte Betäubung.
Obwohl ein Regen ausblieb, verließen nach geraumer Zeit
die ersten der Schaulustigen die Stätte.
Das Schreien der beiden gerichteten Räuber war in
Stöhnen und Winseln übergegangen.
„Achtung“, rief plötzlich AusGarmi. „Der hat etwas vor!“
Ein Soldat näherte sich mit gezückter Lanze dem mittleren
Kreuz.
„Wenn er zu sticht“, schlug AmUlzo vor, „mache, dass es
so aussieht, als sei es das Ende. Da gewinnen wir Zeit.“
Der Soldat baute sich großspurig vor dem Kreuz auf. „Na,
geh in dein Reich zu deinem Herrn, König!“ Und lässig, aus
dem Ellbogen heraus, schleuderte er die Waffe in das Bild
des Gekreuzigten – glücklicherweise so, dass sie, scheinbar
durch die linke Hälfte des Oberkörpers dringend, im
Kreuzbalken stecken blieb. Für den Täter blieb so die
Leichtigkeit, mit der die Lanze durch den projizierten Leib
gedrungen war, verborgen. Er zog sie heraus, und
AusGarmi projizierte auf die Einstichstelle eine scheinbare
Wunde und wenig später, indem sie den Körper des
Gepeinigten erschlaffen ließ, entstand der Eindruck von
dessen Tod.
Für die Zuschauer, Feinde und Freunde, hatte das
Schauspiel an Interesse verloren. Die Soldaten zogen ab.
Ein letzter Wächter schritt gelangweilt vor den Kreuzen auf
und ab. Bis auf wenige Trauernde lag die Stätte bald
verlassen da.
Es begann bereits zu dunkeln, als sich ein Mann dem
Kreuz des Yoshua näherte. „Ich habe vom Statthalter die
Erlaubnis, seinen Leichnam…“, er wies auf den
Gekreuzigten, „zu bergen.“
„Der letzte Akt“, sagte AmUlzo. „Aufpassen, AusGarmi!“
„Ich bin bereit“, antwortete sie.
„Hilf mir“, bat der Mann den Soldaten.
Gemeinsam legten sie das Kreuz um.
„Losmachen kannst du ihn allein“, sagte der Helfer, nahm
seine Lanze auf und verließ den Ort.
Aus der Stadt herauf drang der Lärm des Festes.
„Jetzt wird es problematisch“, bemerkte VonEtali.
„Ach was!“, widersprach AusGarmi. „Passt auf: Der
Mann bekommt gleich einen kurzen Schwindelanfall,
indessen wechselt ihr das Bild gegen das Original aus,
klar?“
Augenblicke später begann der Mann zu taumeln, fasste
sich an den Kopf und setzte sich auf den Haufen
ausgehobener Erde.
VonEtali und AmUlzo handelten, wie von AusGarmi
vorgeschlagen.
Wenig später löste der Mann den Körper vom Kreuz,
hüllte ihn in ein Leinentuch, lud sich das Bündel über die
Schulter und schritt, der Stadt entgegengesetzt, den Berg
hinab. Nur noch einige Frauen hatten betend den Vorgang
begleitet. Die Räuber an den beiden stehenden Kreuzen
waren – ins Koma gefallen – verstummt.
Der Bestatter erreichte mit seiner Last einen Friedhof und
legte Yoshua in eine offensichtlich neu angelegte Gruft,
hielt eine kurze Andacht, wälzte dann einen Stein vor den
Eingang und verließ gesenkten Hauptes den Ort.
Die Nacht war hereingebrochen.
Kurz danach bemühte sich AusGarmi in der Gruft intensiv
um den noch immer ohnmächtigen Yoshua: Sie behandelte
die kleinen Wunden, die ihm während seines Leidensweges
beigebracht worden waren, wusch und besprühte ihn
gründlich mit einer Lotion. Danach rieb sie ihn mit dem
Leinentuch ab und stellte plötzlich fest: „Wir brauchen
Kleider für ihn.“
„Bin schon unterwegs“, rief VonEtali.
Bald darauf kehrte sie zurück mit Kleidern, die sie
offenbar von einen gut situierten Einwohner der Stadt
ausgeborgt hatte. Sie bekleideten Yoshua, ließen seine
wenigen Lumpen und das lotionsbefleckte Tuch zurück.
Dann bereiteten sie dem Geretteten ein Lager neben dem
ihren im Gleiter. „Er soll noch eine Weile schlafen“,
ordnete AusGarmi an. „Und wir haben uns auch ein wenig
Ruhe verdient, oder?“ Sie richtete den Blick auf die
Gefährten, verweilte bei AmUlzo. Ihr „oder“ klang ein
wenig verschmitzt.

9.
    „Ich möchte, Herr, bevor ich die Meinen verlasse,
noch ein wenig auf den Wegen gehen, in den Orten
weilen, wo ich dein Wort verkündet habe vor offenen
Ohren und Herzen. Befiehl mir zurückzukehren, wenn es so
weit ist.“
    „Geh deiner Wege, ich rufe dich.“ AmUlzo legte den
Mnemographen ab.
Yoshua wandte sich dem Fluss zu, und er
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