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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels
Autoren: Alexander Kröger
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Gaur
Aufgabe war, machten den Hirten an diesem Tag unmutig.
„Ich werde nicht auf ihn hören, diesen Halsabschneider. Ja,
das ganze Dorf hält ihn für einen solchen. Den Wasserzins
heraufsetzen, weil angeblich der Spiegel im Brunnen sinkt.
Dabei hat es dieses Jahr schon dreimal geregnet. Ein
Wucherer ist er, ein Halsabschneider eben. Und ich werde
wieder an seinen Zaun gehen, um einen Blick der
Lieblichen zu erhaschen, ob Ben Abchat es will oder nicht.“
Aber Jussup wusste, und daraus erwuchs sein Missmut,
dass er gegen den Einspruch des Herrn würde nicht
ankommen können. „Ein Zimmerer, der das Geld fürs Holz
nicht aufbringt, der anderer Leute Schafe hüten muss, um
wenigstens den Lebensunterhalt für die Mutter und sich zu
verdienen, ist nicht gut genug für die erste Magd dieses
Herrn. Oh, er weiß, eine solche bekommt er nicht wieder,
eine, die so fleißig und sanftmütig ist und in ihrer Arbeit
aufgeht.“
    Der junge Mann seufzte. „Dabei hat sie mich so
freundlich angelächelt, bevor mich der Alte am Zaun
erwischt hat.“
    Jussup fluchte, als er in ein Häufchen Schaflosung trat,
und er scharrte im Sand den Schmutz von der Sandale.
Nach einer Biegung des kaum angedeuteten Weges war in
mittlerer Entfernung mit flirrig sich verschiebenden
Grenzen ein dunkler Fleck am Hang des Berges
auszumachen. Oberhalb konnte Jussup schon die Felswand
sehen, von der die alte Schari erzählte, dass sich in ihr der
Eingang zum Quartier bösartiger Dämonen befände,
weswegen der Ort im Allgemeinen gemieden wurde. Selbst
die Alten rieten ab, in dieser Gegend zu weiden. Man
kannte Geschichten, nach denen ganze Herden samt Hirten
vom Dschebel El Chaib nicht zurückgekehrt sein sollten.
Allerdings lagen derartige Gräuel so weit zurück, dass die
Kunde von den betroffenen Personen über Generationen
lediglich als Moritat in die Gegenwart geraten war. Aber es
hatte den Eigentümern der Schafe schon Überwindung
gekostet, Jussup zum Dschebel ziehen zu lassen. Es
geschah nicht oft, dass man sich mit kräftigen Tieren so ein
weites Ziel steckte, doch was sollte sein, wenn die Weiden
rings um das Dorf in diesem Jahr so gut wie abgegrast
waren. Und ausschlaggebend war wohl, dass der junge
Mann neben seinem Handwerk auch als zuverlässiger und
umsichtiger Hirte galt.
Der Schatten dieser hohen Felswand war es anscheinend,
der dem spärlichen Gras die Überlebenschance gab.
„Sogar eine Quelle soll am Fuße der Felsen
entspringen…“
Die Wand stand im weitflächigen Hang des Berges
gleichsam wie eine Stufe, die zunächst auf ein riesiges, aus
der Ferne eben erscheinendes Plateau führte, das in einen
steileren Hang überging, dessen Abschluss der kahle Gipfel
bildete. Unmittelbar an der oberen Kante des Felsens
gewahrte Jussup einen dunklen Streifen, von dem er, je
näher er kam, verwundert annahm, dass es wahrscheinlich
ein Buschwald sei, von dem weder die alte Schari noch
andere berichtet hatten.
Obwohl Jussup jetzt, da er allein dem Unheimlichen
entgegenschritt und er auf sein Image den anderen
Burschen gegenüber nicht zu achten brauchte, nicht ganz
wohl zu Mute war, machte ihn die Aussicht, dass sich dort
ein Wald befand, was zweifelsfrei auf das Vorkommen von
Wasser schließen ließ, mutiger und drängte auch den Ärger
über Ben Abchat in den Hintergrund. Und da sich die
Bremse nach vorn, in Richtung der Schafe abgesetzt hatte,
war Jussup beinahe fröhlich, als er wenig später die Stelle
erreichte, wo der Fels
übergangslos aus dem Sand
herauswuchs.
Die Tiere aber, das frische Gras witternd, waren in das um
diese Zeit noch schmale Schattenfeld galoppiert und hatten
gierig begonnen, den in der Tat noch von grünen Halmen
durchsprossenen Bewuchs abzuäsen.
Jussup setzte sich auf den Felssockel und ließ sich dann
zurückfallen. Er legte den Arm über die Augen, weil ihn die
Sonne selbst durch die geschlossenen Lider blendete, und
spürte bewusst nach der wohligen feuchten Wärme, die,
erzeugt vom heißen Stein und von dem schweißnassen
Gewand, den Rücken schmeichelte.
Eine ganze Weile lag Jussup so. Er wusste, dass die Tiere
jetzt nur das Fressen im Sinn haben und sich nicht etwa
verirren würden, und außerdem wachte Gaur, der Getreue.
Wenn’s tatsächlich Wasser gab, würde er ein, zwei Monde
bleiben. „Und sie werden staunen, wenn ich mit fetten
Schafen nach Hause komme. Bäh – Dämonen!“
Nunmehr, im gleißenden Licht der Sonne, die der
Felswand jeden Deut von Unheimlichem nahm, war Jussup
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