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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge
Autoren: B Jones
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fünfzig Pence kosteten. Altmodische Perlenketten, strassbesetzte Hutnadeln und Taschenbücher mit welligem Deckel und welligen Seiten buhlten in den staubigen Schaufenstern um Aufmerksamkeit, während wacklige Holzschränkchen und Klassenzimmerstühle bunt zusammengewürfelt den Gehweg flankierten. Überquerte man die Bahnschienen, gelangte man direkt zumThe George, unserem Lieblingspub.
    Der winzige, aber funkelnagelneue Tesco Metro an der Ecke war stets gerammelt voll mit Studenten. Hier deckten Cora und ich uns einmal die Woche mit den wenigen Luxusgütern ein, die wir uns leisten konnten – richtiges Fleisch, richtigen Fisch, Bohnen zu sieben Pence und Weißbrot im Sonderangebot, riesige Gläser Marmite, Familienpackungen Penne, Teebeutel von Tetley, delphinfreundlich gefangenen Thunfisch, Weißweinessig für Cora, Mousse au Chocolat im Viererpack und Fertignudelgerichte für mich. Außerdem bestand Cora jedes Mal darauf, dass auch noch ein bisschen Obst und Gemüse in meinem Einkaufskorb landete – wegen der Vitamine. Ich glaube, sie hatte wirklich Angst, dass ich mir selbst überlassen an Skorbut sterben würde.
    Zur Feier des Tages und zu Ehren des sich sonst so rar machenden Michaels hatte Cora ein Picknick geplant. Bald würden der echte Mike und der Mike aus meiner Vorstellung auf Kollisionskurs gehen. Wir kauften also Lebensmittel und besondere Leckerbissen, »weil Mike das so gerne mag«. Cora hatte bereits einen riesigen Nudelsalat vorbereitet, aber wir brauchten noch selten erworbene Köstlichkeiten wie Weißweinessig für das Dressing, Sahne und glänzende schwarze Oliven mit Kern, natürlich ein Rezept von Coras Mutter.
    Für mich als Mädchen aus den Tiefen der walisischen Täler waren solche Dinge entsprechend exotisch und fast dekadent – bereits die Vorstellung von heißen Bohnen auf Toast empfand ich als etwas, das man ehrerbietig und mit grenzenloser Achtsamkeit behandeln musste.
    Aber ich fand das Ganze auch irgendwie albern. Wer machte sich schon solche Mühe für einen Mann? Und das bei dieser Hitze? Aber Cora war die Beziehungsexpertin, also beugte ich mich ihrem weisen Ratschluss.
    Cora war braun gebrannt und sah ungewöhnlich strahlend aus mit ihren gebräunten Beinen, die unter einem zu engen T-Shirt mit Minnie-Maus-Druck aus ihren Hotpants ragten. Sogar einen Hauch Lippenstift hatte sie aufgelegt. Sie hatte sich Mühe gegeben . Sie machte etwas aus sich . Das waren typische Cora-Ausdrücke, die ich zu schätzen begonnen hatte, weil sie mich an meine Großmutter erinnerten. Und ich hatte meine Großmutter sehr geliebt.
    Ich hingegen versuchte, in meinem langen schwarzen Strandkleid und meinen weißen Tennisschuhen möglichst kultiviert, luftig und einfarbig auszusehen. Dazu hatte ich die Haare zu einem hohen, straffen Pferdeschwanz gebunden und mich dick mit Sonnenmilch eingecremt, um den vertrauten Sonnenbrand fernzuhalten.
    Mit Tüten beladen quälten wir uns durch den lärmenden, sonnengebleichten Samstagnachmittag zurück zum Wohnheim. Als wir in unsere Straße einbogen und die letzten Meter zum Haus entlangkeuchten, lehnte Mike bereits am Eingangstor. Er schien sich unwohl zu fühlen, das braune Haar hing ihm wellig in die Augen. Endlich fleischgeworden. Ich erkannte ihn trotz der schlechten Qualität der Fotos. Wer hätte es auch sonst sein sollen?
    Dennoch entsprach er überhaupt nicht meiner Vorstellung. Wie auch? Wie hätte er der umwerfende, strahlende, gottähnliche Mann sein können, den Cora derart begehrte? Der Mann, mit dem sie in der Nacht ihres achtzehnten Geburtstags in dem riesigen Himmelbett eines Bed & Breakfast zum ersten Mal Sex gehabt hatte.
    Statt des erwarteten modischen Designerfummels trug Mike etwas, das sich bald als seine vertraute »Uniform« herausstellen sollte – ein zu großes T-Shirt in ausgewaschenem Dunkelblau und weite Surfershorts, aus denen seine langen, blassen Beine durchschimmernd weiß herausragten, um in einem Paar Turnschuhen wieder zu verschwinden, die so abgewetzt und verschossen waren, dass sie nur noch die doppelt geknoteten Schnürsenkel zusammenzuhalten schienen.
    Er wirkte sogar noch größer, als Cora in ihren Erzählungen angedeutet hatte, und blinzelte in die Sonne, während er eine Hand zum Gruß hob, so dass ich das tiefe Blau seiner Augen nicht sehen konnte, ein kleines gestohlenes Stück Himmel aus einem weit entfernten Land.
    Auf den ersten Blick war ich erleichtert. Schließlich war Cora verglichen mit mir nicht einmal
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