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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge
Autoren: B Jones
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Fällen war es Mike.
    Päckchen tauchten in den kleinen Postfächern im Eingangsbereich auf, kleine aufmerksame Geschenke und Musikkassetten, die er selbst zusammengestellt hatte. Ich hatte keinen Freund und war beeindruckt und gerührt, fühlte mich aber auch ein wenig einsam deswegen, was ich aber meist schnell wieder vergaß.
    Cora hatte nur zwei Fotos von Mike in ihrem Zimmer. In einem Silberrahmen waren die beiden im Profil verewigt, wie sie sich leidenschaftlich küssten – er mit einer mehr als schlecht beratenen Frisur, wuschelig, teeniehaft, Happy-Mondays-mäßig. Das zweite Foto war an die aus allen Nähten platzende Pinnwand geheftet und zeigte die beiden Arm in Arm an einem grünen Ort. Auf diesem Bild war sein Haar wellig und wurde vom Wind halb in sein Gesicht geweht. Für eine gewisse Übergangszeit existierte er für mich nur in der bruchstückhaften Welt unscharfer Fotos, ein schemenhaftes, geisterähnliches Geschöpf am äußersten Rand meiner Vorstellungskraft, dessen Gesicht nur halb zu sehen war und das nur ab und zu meine Neugierde weckte.
    Für mich zählte nur, dass mir Cora unter der Woche zur Verfügung stand und gelegentlich an Samstagabenden, wenn Mike mit Freunden um die Häuser zog und die Jungs unter sich bleiben wollten. Dann zogen wir uns endlose Kitschfilme in dem Kino mit den kratzigen Sitzen auf der Queen Street rein, das eindeutig noch aus der Ära stammte, als es noch keine Multiplex-Paläste mit gepolsterten Liegesitzen und amerikanischer Eiskrem gab. Oder wir belegten ein Eckchen auf der Tanzfläche der Studentenwerkdisco und lagen sonntagnachmittags umringt von Kaffee- und Teetassen und Schokoladenkeksen zusammen auf dem Bett und spielten uns gegenseitig unsere Lieblings- CD s vor.
    Cora war intelligent, amüsant und gut erzogen, eine echte Erleichterung nach den Mädchen, die ich aus der Schule kannte, ein Jahr und gefühlte Millionen Kilometer entfernt. Mädchen, deren Pudeldauerwellen von furchterregend steifen Ponyfransen gekrönt wurden, die auf der Mädchentoilette Haarspray, blauen Eyeliner und Zigaretten austauschten, die mit Goldschmuck behängt waren und ständig ohrenbetäubend schrille Drohungen und Obszönitäten von sich gaben. Cora war die beste Freundin, die ich mir hätte erträumen können. Und ich wollte sie nicht teilen, nicht mal mit ihrem Freund.
    Dann geschah an einem Wochenende während des Sommersemesters das Unvermeidliche. Cora kündigte an, dass Mike endlich nach Cardiff kommen würde. Sie sagte es zwar nicht, aber ich kannte den Grund: Mein Freund, mit dem ich die letzten sechs Wochen zusammen gewesen war, hatte mich abserviert, und Cora wollte nicht, dass ich das ganze Wochenende trotz Sonnenschein im Einkaufszentrum herumhing, mir Sachen anschaute, die ich mir nicht leisten konnte, und meinen Frust alleine im Wein ertränkte.
    An diesem ganz besonderen Samstag, an dem Mike ankommen sollte, ächzte Cardiff unter einem weiteren hitzeschweren, erstickenden Nachmittag – in diesem Sommer die Norm. Von den weißen Mauern des eleganten Rathauses von Cathays Park, den viktorianischen Reihenhäusern, deren Fenster die darin residierenden Studenten mit Batiktüchern verhängt hatten, und dem zweckmäßigen Ziegelbau des Studentenwerks schien die Hitze doppelt stark auf uns zurückzuprallen, während unablässig die Rathausglocke läutete und monoton Züge vorbeiratterten.
    Zur Hauptverkehrszeit reicherte sich die Luft mit den unausweichlichen Abgasen erschöpfter Autos und Busse an, die sich Zentimeter für Zentimeter Richtung Stadtmitte schoben, Abgase, die sich auf der Zunge absetzten und einem das Wasser in die Augen trieben. Cora und ich hatten den Vormittag mit der schweißtreibenden Aufgabe verbracht, die Wohnung für Mike in einen vorzeigbaren Zustand zu versetzen. Die Einkäufe hatten wir noch vor uns. Unsere Pilgerreise zum Supermarkt durch die schäbigen Seitenstraßen, vorbei an fetten, trägen, von der Sonne ermatteten Katzen und dampfenden Mülleimern, war gar nicht so schlimm. Jedenfalls nicht so schlimm wie der normale Weg entlang der stark befahrenen, ansteigenden Hauptstraße, wo sich ein Imbiss an den nächsten reihte – Pommesbuden, Inder, Chinesen –, neben einem Laden mit verdunkelten Fenstern und Klingelknopf, der vorgab, ein Sonnenstudio zu sein, und einigen merkwürdig platzierten Antiquitätengeschäften. Vielmehr waren es Ramschläden voller Entrümpelungsfunde, die mal jemandem etwas bedeutet hatten, nun aber nur noch
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