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Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin

Titel: Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
Autoren: Berte Bratt
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nichts, man muß gepflegt und trockengelegt und behütet werden. Dann fängt man an, Erfahrungen zu machen, fängt an zu lernen, es geht immer weiter, und du, mein Kind, du hast nun vielleicht ein Fünftel des Lebens hinter dir. Wenn man ganz nach oben kommt, wenn man reif und erfahren ist, und alles gelernt hat, was man im Leben lernen muß, wenn man vielleicht um die vierzig ist, dann geht es wieder abwärts auf der rechten Seite - siehst du den Kreis vor dir? Ich sehe ihn ganz deutlich! Man erreicht dieselbe Höhe, die man als Zwanzigjährige erreicht hatte, und als Zehnjährige - und wenn man sehr lange lebt, erreicht man auch die Kleinkindhöhe und sogar -wovor Gott mich behüte - die Säuglingshöhe. Und dann ist der Kreis geschlossen und man verläßt das Leben da, wo man es angefangen hat.“
    Meine Momo erreichte den Punkt nicht. Sie war klar und vernünftig die ganze Zeit. Gott hat sie davor behütet, wieder ein hilfloser Säugling zu werden.
    Aber ich sah Momos Kreis vor mir und dachte daran, daß Frau Felsdorf jetzt auf der Höhe eines vierjährigen Kindes war.
    Vielleicht würde dieses Jahr letzten Endes für mich eine gute Vorbereitung für meine Arbeit mit Kleinkindern werden?
    „Nun schlägt es aber dreizehn!“ sagte Hanni
    Leicht wurde es nicht!
    Das bißchen Arbeit war einfach zu bewältigen. Für zwei Personen einholen, kochen und abwaschen, das war nicht der Rede wert. Aber das dauernde Aufpassen! Nach zwei Tagen war ich regelrecht nervös geworden. Wenn Frau Felsdorf bloß nicht so furchtbar unternehmungsfreudig gewesen wäre! Wenn ich Einkäufe machte, ging es in Windeseile, ich stand vor der Kasse und trippelte vor Nervosität, bis ich mit meinem Einkaufskorb drankam und dann im Eiltempo nach Hause rannte.
    Am ersten Tag fand ich sie in der Küche, überall umgeben von Apfelschalen, strahlend vergnügt und stolz.
    „Ich dachte, wir könnten heute Apfelkompott essen“, verkündete sie. „Jetzt habe ich die Äpfel geschält, dann brauchen Sie es nicht zu tun, Spatz.“
    Sie hatte leider Gottes den ganzen Apfelvorrat gefunden und etliche Kilo geschält. Ich mußte den großen Einmachtopf holen und das Ganze kochen. Was ich damit machen sollte, war mir schleierhaft. Einen Tiefkühler gab es nicht im Haus. Also mußte ich den ganzen Segen einwecken, was wiederum bedeutete, daß ich aus dem Keller Weckgläser raufholen und saubermachen mußte, und dann Mutti anrufen, um genaue Erklärungen über den Einweckvorgang zu erhalten. Und der Vormittag war reichlich mit Arbeit ausgefüllt.
    Am zweiten Tag wiederholte sie die Nummer mit dem drei-, viermaligen Blumengießen. Am dritten Tag veranstaltete sie eine Überschwemmung. Sie hatte den Stöpsel des Waschbeckens fest eingedrückt und den Wasserhahn aufgedreht - und alles vergessen. Zum Glück war ihr dieser Einfall anscheinend kurz vor meiner Rückkehr gekommen. Das Wasser lief munter auf den Fußboden im Bad, aber war noch nicht unter der Tür bis in die Diele vorgedrungen.
    Dann war sie so unglücklich, daß sie mir leid tat, und ich konnte nicht böse werden. Ebenso war es mit den Äpfeln gewesen. Bei der Gelegenheit war sie so stolz wie ein kleines Kind, das Mutti helfen wollte - sie war rührend, als sie so dastand und mich überraschen wollte, daß ich kein vorwurfsvolles Wort sagen konnte.
    Dann saßen wir am dritten Abend vor dem Fernseher. Frau Felsdorf hatte eine Vorliebe für blutige Krimis, je mehr Morde, desto besser.
    Dieser kleine, liebe, friedfertige Mensch - was gaben ihr wohl die schrecklichen Krimis? Die Spannung, die sie vielleicht in ihrem Unterbewußtsein vermißte?
    Aber nachdem nun der Mörder gefunden und der Krimi zu Ende war, kam ein Bericht aus Paris. Und dann entdeckte ich ganz neue Seiten bei meiner problematischen kleinen Brötchengeberin.
    „Oh, das ist ja Montmartre!“ rief sie. „Sehen Sie, das ist Sacre Coeur - von dort hat man den schönsten Blick auf ganz Paris. Und dort, ja das ist Place du Tertre, da stehen die Maler dicht an dicht und malen Touristen und machen sie alle schöner als sie wirklich sind, bei mir hatte ein Maler alle Gesichtsfalten weggelassen, ich sah auf dem Bild aus wie eine Dreißigjährige, und dabei war ich vierundfünfzig!“
    Ich ließ sie reden und erzählen. Sie sprach vollkommen vernünftig, in diesem Augenblick würde kein Mensch auf den Gedanken kommen, daß sie verkalkt war.
    „Ja, wissen Sie, mein Mann und ich waren ja mehrmals in Paris, das war vielleicht schön - ach, da ist
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