Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russka

Russka

Titel: Russka
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Fremdinvestitionen vorsichtig sein. Ich meine damit, wir dürfen nicht unsere gesamte Grundstoffindustrie in andere Länder geben, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht. Es muß ja nicht unbedingt ein Weggeben sein.«
    »Ich glaube andererseits nicht, daß wir den reinen Kapitalismus wollen. Meiner Ansicht nach sind eine Menge Leute, die heute in Rußland Geld verdienen, einfach kriminell. Mafia.« Er nickte nachdenklich. »Vielleicht brauchen wir eine Art kombinierter Wirtschaft.«
    »Ich glaube schon, daß das erreicht werden könnte«, meinte Paul. Sergej Romanov lächelte. »Es braucht nur die richtigen Männer an der Spitze«, sagte er. »Dann schaffen wir es.« Die Sonne ging unter, als Paul Bobrov wieder am Fenster seines Hotelzimmers saß und über die Dächer Moskaus blickte. Zu seiner linken sah er einen jener hohen klobigen Türme, mit denen Stalin die Stadt während seiner Diktatur hatte schmücken lassen: Symbole eines neuen Zeitalters, Symbole unbeugsamer Macht, wie die kahlen Kremlmauern.
    Repräsentierten sie tatsächlich Rußland? Nein, Paul war nicht dieser Meinung. Auch wenn er nicht sagen konnte, was Rußland wirklich war. Es hatte sich durch all die Jahrhunderte einer klaren Definition widersetzt. War es ein Teil Europas, ein Teil Asiens – und was bedeuteten diese Begriffe überhaupt? Kein Kommentar, den er je gelesen hatte, hatte ihm erklären können, was dieses weite Land war oder was daraus werden könnte. Friede und Demokratie. Ein neuer Putsch. Bürgerkrieg. Ein autoritäres Regierungssystem. Anarchie. Niemand wußte es. Der Westen wußte es nicht, und die Russen wußten es mit Sicherheit auch nicht. Doch was auch das wirkliche, beständige Rußland sein mochte – Paul dachte, daß er an dem Tag in Russka eine Ahnung davon bekommen habe.
    Es war Nacht geworden. Bobrov saß noch immer am Fenster, sah auf die schlafende Stadt und dachte nach. Hoch am sternenübersäten Himmel zogen von Zeit zu Zeit bleiche Wolken vorüber, leuchteten auf im Widerschein des wachsenden Mondes, der nun im Süden aufstieg. Sanft strich der Wind übers Land.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher