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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker
Autoren: B Akunin
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»Das ist ein schmutziges Spiel, in zivilisierten Ländern macht man dergleichen nicht. Ich war gestern bei diesem alten Herrn, er hat die Kaufurkunde für das Hausunterschrieben, und wir haben den Vertrag durch Händedruck bekräftigt. Und jetzt auf einmal will er nichts mehr davon wissen. Sein Enkel, Mister Speyer, sagte, der alte Gentleman übersiedle in das Haus für Veteranen der napoleonischen Kriege, dort werde er es bequemer haben, denn die Pflege sei gut dort, und deshalb stehe diese Villa hier zum Verkauf. Solche Unbeständigkeit macht ihm keine Ehre, besonders wenn der Kaufpreis bereits gezahlt ist. Und nicht wenig Geld, hunderttausend Rubel. Hier ist der Kaufbrief!«
    »Der fuchtelt schon die ganze Zeit mit dem Wisch herum, gibt ihn aber nicht aus der Hand«, bemerkte der kahlköpfige Greis, der bislang geschwiegen hatte. Das mußte Frol Grigorjewitsch Wedistschew sein.
    »Ich soll der Großvater von Speyer sein?« stammelte der Fürst. »Ich ins Veteranenheim?«
    Der Beamte hatte sich von hinten an den Engländer herangeschlichen, er stellte sich auf die Zehenspitzen und linste auf das geheimnisvolle Papier.
    »Wirklich, hunderttausend, und vom Notar beglaubigt«, bestätigte er. »Auch die Adresse stimmt: Twerskaja, Haus des Fürsten Dolgorukoi.«
    Fandorin fragte: »Wladimir Andrejewitsch, wer ist Speyer?«
    Der Fürst wischte sich mit einem Tuch die puterrote Stirn und breitete die Arme aus.
    »Speyer ist ein sehr netter junger Mann. Mit vorzüglichen Empfehlungen. Er wurde mir auf dem Weihnachtsball vorgestellt, von … äh … von wem? Jetzt weiß ich’s wieder! Nicht auf dem Ball! Ich bekam einen Brief von Seiner Hoheitdem Herzog von Sachsen-Limburg. Speyer ist ein famoser, höflicher junger Mann mit einem goldenen Herzen und dabei unglücklich. Er hat an dem Kuschk-Feldzug teilgenommen, erlitt eine Rückgratverletzung und kann seitdem nicht mehr gehen. Er bewegt sich in einem Rollstuhl vorwärts, läßt aber den Mut nicht sinken. Er widmet sich der Wohltätigkeit, sammelt Spenden für Waisenmädchen und spendet selbst erhebliche Beträge. Gestern früh war er mit diesem verrückten Engländer hier und sagte, es sei der bekannte britische Philanthrop Pitsbrook. Er bat mich um die Erlaubnis, dem Engländer die Villa zu zeigen, da der Lord ein Kenner und Liebhaber von Architektur sei. Hätte ich dem armen Speyer solch eine Lappalie abschlagen sollen? Hier, Innokenti ist mitgegangen.« Dolgorukoi zeigte verdrossen auf den Beamten, der hilflos die Achseln zuckte.
    »Euer Hohe Exzellenz, woher sollte ich wissen … Sie haben doch selber angeordnet, ich solle aufs liebenswürdigste …«
    »Sie haben Lord P-Pitsbrook die Hand gedrückt?« fragte Fandorin, und Anissi kam es so vor, daß in den Augen des Hofrats ein Fünkchen blitzte.
    »Gewiß doch.« Der Fürst zog die Schultern hoch. »Speyer hat ihm vorher etwas auf englisch über mich erzählt, worauf der Lange mir freudestrahlend die Hand entgegenstreckte.«
    »Und haben Sie vorher irgendein Papier unterschrieben?«
    Der Generalgouverneur überlegte stirnrunzelnd.
    »Ja. Speyer bat mich, eine Grußadresse an das neu eröffnete Katharinen-Stift zu unterzeichnen. Es ist wahrlich eineedle Sache, minderjährige gefallene Mädchen umzuerziehen. Aber eine Kaufurkunde habe ich nicht unterschrieben! Sie kennen mich, mein Lieber, ich lese aufmerksam alles, was ich unterschreibe.«
    »Und wo hat er die Grußadresse hingetan?«
    »Ich glaube, er hat sie dem Engländer gezeigt, etwas gesagt und sie dann in eine Mappe gelegt. Die hatte er in seinem Rollstuhl.« Dolgorukois ohnehin drohendes Gesicht wurde finster wie eine Gewitterwolke. »Ah, merde! Sollte etwa …«
    Fandorin sprach den Lord auf englisch an und schien bei dem Sohn Albions auf Vertrauen zu stoßen, denn der gab ihm das geheimnisvolle Papier zu lesen.
    »In aller Form aufgesetzt«, murmelte der Hofrat, nachdem er das Blatt überflogen hatte. »Das W-Wappensiegel ist da, auch der Stempel der Notariatskanzlei Möbius, die Unterschrift … Aber was ist das?«
    Fandorins Gesicht spiegelte Fassungslosigkeit.
    »Wladimir Andrejewitsch, schauen Sie! Die Unterschrift!«
    Der Fürst nahm das Dokument angewidert wie eine Kröte in die Hand und hielt es von seinen weitsichtigen Augen weg. Und las laut: »›Pikbube‹ … Erlauben Sie mal, was soll das heißen?«
    »Ach sooo …«, sagte Wedistschew langgedehnt. »Dann ist alles klar. Schon wieder der ›Pikbube‹. Na, weit haben wir’s gebracht, du meine
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