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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker
Autoren: B Akunin
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die der Polizei und der Gendarmerie zur Kenntnis gelangten. Darum erhielt er allmorgendlich von Generalleutnant Baranow und aus der Gendarmerieverwaltung die notwendigen Informationen – gewöhnlich ins Haus des Generalgouverneurs in der Twerskaja-Straße, manchmal aber auch nach Hause, denn er konnte sich seine Zeit selber einteilen und, wenn er es wünschte, auch mal dem Amt fernbleiben.
    Eine so bedeutende Person war Herr Fandorin, doch er gab sich einfach und ohne Anmaßung. Anissi hatte ihm schon zweimal Sendungen in die Twerskaja gebracht und war hingerissen von der umgänglichen Art des einflußreichen Mannes, der einen kleinen Untergebenen nicht demütigte, sondern höflich behandelte, mit »Sie« anredete und ihm sogar einen Platz anbot.
    Auch war es sehr interessant, aus der Nähe den Mann zu sehen, über den in Moskau wahrhaft phantastische Gerüchte umliefen. Man sah sofort – ein besonderer Mensch. Das Gesicht schön, glatt, jung, die schwarzen Haare an den Schläfen stark ergraut. Die Stimme ruhig, leise, leicht stotternd, jedes Wort wohlüberlegt. Man merkte ihm an, daß er nicht gewohnt war, sich zu wiederholen. Wirklich ein beeindruckender Herr!
    Im Hause des Hofrats war Anissi Tulpow noch nicht gewesen. Stockenden Herzens durchschritt er das feingittrige Tor mit der eisernen Krone und näherte sich dem eleganten eingeschossigen Seitenflügel. Ein so ungewöhnlicher Mann mußte eine besondere Behausung haben.
    Er drückte den Knopf der elektrischen Klingel. Denersten Satz hatte er sich schon zurechtgelegt: »Kurier Tulpow von der Gendarmerieverwaltung zu Seiner Hochwohlgeboren mit Papieren.« Rasch schob er noch das widerspenstige rechte Ohr unter die Schirmmütze.
    Die geschnitzte Eichentür öffnete sich. Auf der Schwelle stand ein kleingewachsener, kräftig gebauter Asiat mit schmalen Äuglein, dicken Wangen und storrem schwarzem Bürstenhaar. Er trug eine grüne Livree mit Goldstickerei und dazu sonderbarerweise Strohsandalen. Den Besucher mißtrauisch musternd, fragte er: »Was wollnse?«
    Aus der Tiefe des Hauses tönte eine wohlklingende Frauenstimme: »Masa, wie oft soll ich dir das noch sagen: Es heißt nicht ›was wollnse‹, sondern ›was wünschen Sie‹?«
    Der Asiat schielte böse nach hinten und knurrte Anissi widerwillig an: »Was wünssen Sie?«
    »Kurier Tulpow von der Gendarmerieverwaltung zu Seiner Hochwohlgeboren mit Papieren«, meldete Anissi eilig.
    »Komm hinein.« Der Diener machte ihm Platz.
    Anissi betrat eine geräumige Diele, sah sich neugierig um und war im ersten Moment enttäuscht: Es fehlte der ausgestopfte Bär mit dem Silbertablett für die Visitenkarten, und was war eine herrschaftliche Wohnung ohne den Bären? Oder bekam der Beamte für Sonderauträge keine Besuche?
    Aber trotz des fehlenden Bären war die Diele wunderhübsch ausgestattet. In der Ecke stand ein Glasschrank, darin eine sonderbare Rüstung aus lauter Metallplättchen mit einem verschlungenen Monogramm auf dem Brustharnisch und einem Helm, gehörnt wie ein Käfer.
    Aus der Tür zu den inneren Gemächern, zu denen der Kurierselbstverständlich keinen Zutritt hatte, blickte eine Dame von außergewöhnlicher Schönheit. Sie trug einen bodenlangen rotseidenen Morgenmantel, ihr üppiges dunkles Haar war zu einer ausgeklügelten Frisur hochgesteckt, der schlanke Hals war nicht verhüllt, die mit zahlreichen Ringen geschmückten weißen Hände kreuzten sich vor der hohen Brust. Ihre großen schwarzen Augen blickten Anissi enttäuscht an, und sie rümpfte ein wenig die klassische Nase, als sie rief: »Erast, du hast Besuch. Von deinem Amt.«
    Anissi wunderte sich ein bißchen, daß der Hofrat verheiratet war, obwohl doch eigentlich nicht erstaunlich war, daß solch ein Mann eine schöne Gattin hatte, mit königlicher Haltung und hochmütigem Blick.
    Madame Fandorina gähnte aristokratisch, ohne die Lippen zu öffnen, und verschwand hinter der Tür. Gleich darauf erschien Herr Fandorin in der Diele.
    Er trug ebenfalls einen Hausmantel, aber nicht in Rot, sondern in Schwarz, mit Troddeln und einem Seidengürtel.
    »Guten Tag, Herr T-Tulpow«, sagte der Hofrat, dabei fingerte er einen Rosenkranz aus grünen Nephritperlen. Anissi war starr vor Freude, er hätte nie gedacht, daß Fandorin sich an ihn erinnerte, zumal an seinen Namen. Was mochten ihm nicht alles für Laufburschen Briefe zustellen, aber siehe da!
    »Was bringen Sie? Geben Sie her. Kommen Sie in den Salon und nehmen Sie solange Platz. Masa, nimm
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