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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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Sie sich einen Grund vorstellen, warum er vor Sorger, dem Bauunternehmer Sorger, fliehen könnte?«
    »Viele«, grinst der beste Koch vom Arlberg. »Vielleicht will er mit ihm nicht in irgendwelchen Klatschspalten stehen?«
    »So scheu?«, witzle ich.
    Oberlechner wird wieder ernst. »Es ist wirklich so, gerade die Superreichen wollen ihre Ruhe. – Er ist wirklich davongerannt vor Sorger?«
    »Samt Begleitung, quer durch die Küche des ›Zirben‹, eine Karaffe mit Pomerol in der Hand, danach mit röhrendem Motor fort.«
    »Kapier ich nicht. Aber vielleicht wollte er wirklich nicht fotografiert werden. Wenn er es überhaupt war.«
    »Da waren keine Medien.«
    »Sorger hat immer einen Fotoapparat dabei. Damit er Bilder von sich und jedem Prominenten machen kann, der das Pech hat, ihm über den Weg zu laufen. Er drückt ihn ungeniert irgendeinem in die Hand, und der soll ihn dann mit dem Promi fotografieren. Die Bilder schickt er dann an diverse Society-Redaktionen.«
    »Du liebe Güte.«
    »Ich wollte ihn schon auf meine No-Liste setzen, nachdem er bei mir im Lokal jemanden fast gezwungen hat, ihn mit der deutschen Kanzlerin zu fotografieren. Die Arme kann sich ja bei so etwas schlecht wehren, aber …«
    »Er ist ein guter Gast?«
    »Ein sehr guter. Und genau gesehen kann Publicity keinem Lokal schaden.«
    Oskar lässt mich per SMS wissen, dass seine Besprechung noch bis zum späten Nachmittag dauern wird. Misstrauen. Wie war das damals mit der Anwältin aus seiner Partnerkanzlei? Aber die sitzt inzwischen in Wien und ist verheiratet. Und wir sind auch verheiratet. Was sagt das? Nichts. Aber er hätte mich nicht mitnehmen müssen. Und doch hat er mich geradezu gedrängt, mitzufahren in die Berge. An sich ist mir das Meer lieber.
    Soll ich allein Ski fahren gehen? Warum eigentlich nicht? Die Sonne scheint, der Schnee ist weich. Oje, kann man sich da nicht besonders leicht ein Bein brechen? Ich könnte die ganz einfachen Hänge nehmen, diese lange blaue Abfahrt, die wir gestern gemacht haben. Die war selbst für mich nicht weiter schwierig. Unser Skipass gilt drei Tage, die Leihski stehen im Keller des Hotels, ich weiß nicht mehr, wen ich noch etwas über die Russen fragen soll. Ich könnte im Internet nachsehen, ob Dolochow identisch ist mit meinem fliehenden Russen, von so einem Oligarchen gibt es sicher Fotos, aber das kann ich später auch noch tun. Mich packt der Übermut. Vielleicht schlägt sich die dünne Luft des Hochgebirges auf mein Hirn, jedenfalls eile ich ins Hotel »Sonnenhof«, ziehe mich so rasch um, dass mir keine Zeit für Zweifel bleibt, schnappe meine Ski und rutsche hinüber zur Liftstation. Ist ja gestern ganz gut gegangen, das Skifahren. Und vor allem dieses großartige Gefühl danach …
    Bei der Liftstation kaum Menschen, das Saisonende ist nah. Ein Mann telefoniert auf Russisch. Geschäfte. Das Mobiltelefon macht sie überall möglich. Ich möchte verstehen können, was er sagt. Im Sechsersessellift fährt nur einer mit mir nach oben, er sieht einheimisch aus, Rucksack, Kreuz auf dem Anorakärmel. Telefonsignal, er fingert sein Mobiltelefon aus der Brusttasche. Vielleicht sollte man in den Bergen Mobiltelefone verbieten? So wie das in guten Restaurants üblich ist. Vorarlberger Dialekt. »Schon wieder einer?«, übersetze ich.
    »Verdammter Nassschnee, und keiner passt auf.« Er starrt nach unten. »Sehe ihn«, sagt er und verstaut das Telefon wieder. Einer von der Bergrettung. Auch ich starre nach unten. Da liegt jemand mitten auf einer Pistenkreuzung, vom Steilhang her schießen drei Leute auf ihn zu, die Frau, die neben dem Verletzten steht, schreit auf. In letzter Sekunde weichen die drei aus, fast hätte es einen zweiten Unfall gegeben. »Idioten«, sagt der Bergretter zu mir und bemüht sich um Hochsprache. »Die Sonne macht sie alle dumm.«
    »Gibt es jetzt viele Unfälle?«, frage ich mit klopfendem Herzen.
    »Immer, wenn der Schnee nass ist und die Sonne scheint.«
    Was habe ich auch gefragt.
    Ganz vorsichtig fahre ich von der Bergstation weg, werde von zwei älteren Leuten überholt, obwohl auch sie es nicht sehr eilig zu haben scheinen. Ich gebe mir einen Ruck und schiebe ein paarmal mit den Stöcken an, auf dieser ersten langen Hangschrägfahrt geht es ohnehin kaum bergab. Dafür ist der Ausblick grandios, selbst für eine, die den Bergen üblicherweise nichts Besonderes abgewinnen kann. Mit der Ausrede, das Panorama intensiver betrachten und mit meiner Handykamera
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