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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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Großteil des Publikums, Oberlechner, der tatsächlich mit hohem weißem Kochhut erscheint und von Tisch zu Tisch geht. Der Sommelier, der um den Wein ein Getue macht, dass man ihn sich kaum mehr zu trinken traut. Am besten gefällt mir die internationale Mischung der Gäste: Amerikaner, ein Tisch mit Italienerinnen, natürlich Deutsche, eine Familie aus dem arabischen Raum. Und ein älteres russisches Ehepaar, leise, kultiviert.
    »Wahrscheinlich sind sie nur leise, weil sie was verbergen wollen, wollen nicht auffallen«, mutmaßt Vesna. Mir ist inzwischen klar geworden, dass sie Russen nicht eben freundlich gegenübersteht. Hat vielleicht mit ihrem Leben in Jugoslawien zu tun. »Glauben immer, sie sind die Chefs«, meint Vesna, als ich sie danach frage. »Keine Kultur, nur Macht. Zum Glück jetzt nicht mehr so viel Macht.«
    Valentin Freytag lächelt sie an und widerspricht. »Denk an die großen russischen Schriftsteller, Tolstoi, Puschkin, Tschechow. Und: Das ist ein Land, in dem auch jetzt noch gelesen wird, großartige zeitgenössische Autoren gibt es, selbst die Kriminalromane sind gut. Und erst die Maler. Wenn dieses Land keine Kultur hat …«
    Vesna fällt ihm ins Wort. »Bin ich einfache Putzfrau. Davon verstehe ich nichts. Schaue ich nur auf Kultur der Menschen im Umgang, und da ist nicht viel.«
    »Oh, du einfache Putzfrau«, scherzt Freytag, aber es scheint ihm nicht ganz leichtzufallen, »du liest eine Menge, du verstehst sehr wohl was von Kultur. Und welches Volk gibt es schon, in dem alle kultiviert sind? Denk an den Krieg bei euch daheim. Und bei uns hat es nicht nur Mozart, sondern auch Nazis gegeben.«
    »Wie kultiviert war Mozart?«, fragt Vesna. »Bin ich mir nicht sicher, ob kultiviert sein und Kultur machen dasselbe ist.«
    Ich lehne mich zufrieden zurück. »Ich sehe schon, mein Russenthema beschäftigt alle. Eine gute Story, das jedenfalls steht fest.«
    Oskar nimmt noch einen Happen Käse vom Kristallteller, da ist sogar ein Stück aus Vorarlberg dabei, sonst lauter internationale Vorzeigeprodukte. Offenbar ist zu viel Regionales ein Risiko. Wie hat mein Koch-Freund Manninger einmal gesagt? Die Menschen, die zu McDonald’s gehen, tun das auch, weil sie dort jedenfalls ihre Erwartungen erfüllt kriegen, weil sie genau wissen, was sie bekommen. Und in der Spitzengastronomie gebe es genauso viele von diesen Common-Food- Essern, sie mögen keine Experimente, sie essen, was sie kennen, und es soll so schmecken, wie sie es kennen.
    »Unsere Banken investieren groß im Osten, und die reichen Russen beteiligen sich an Firmen in Mitteleuropa – und alle glauben, damit Geld verdienen zu können. Russland ist mit Sicherheit ein riesiger Entwicklungsmarkt. Vorausgesetzt, die politische Situation bleibt halbwegs stabil«, meint Oskar.
    »Besonders demokratisch ist es nicht, wie sie dort Demonstrationen unterdrücken«, werfe ich satt ein.
    »So etwas kann den Investoren egal sein …«
    Ich will schon auffahren – soweit ich dazu heute noch imstande bin.
    »… sofern sie nur an ihren Profit denken«, ergänzt Oskar rasch. »Ich überlege, ob ich nicht Kontakte zu einer russischen Anwaltskanzlei knüpfen soll. Ich habe heute mit meinem deutschen Partner darüber gesprochen.«
    Es ist schon nach Mitternacht, als wir uns auf den kurzen Weg zurück ins Hotel machen. Wir haben mit Oberlechner noch einige großartige Obstbrände gekostet, ausnahmsweise ganz regional, zwei davon direkt aus Lech, nur für Freunde.
    Oskar ist im Badezimmer, ich schaue zu den Sternen und den Ratracks, die sternengleich hoch oben pisteauf-pisteab fahren und deren Scheinwerfer noch heller leuchten. Ob ich wirklich den Oligarchen Dolochow gesehen habe? Ich wollte eigentlich im Internet nachschauen. Das kann ich daheim auch.
    Andererseits: In der Hotellobby steht ein für alle zugänglicher Computer mit Internetanschluss. Ich höre Oskar im Bad leise singen. In fünf Minuten bin ich wieder zurück, ganz sicher. Mit dem Lift fahre ich in die Hotelhalle, eine Rezeptionistin sieht mich mit müdem Lächeln an. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich will nur kurz ins Internet.«
    »Ich schalte es frei.«
    Ich setze mich, gehe auf Google, gebe »Dolochow« und »Oligarch« ein und dazu: Seiten aus Österreich, mal schauen, ob es ihn da gibt. Und ob. Sieben Seiten mit Einträgen. Als Erstes ein Artikel ohne Bild, Details kann ich morgen auch lesen, weiter. Dann ein langer Beitrag über russische Geschichte, ich finde im Text den
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