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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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und erinnere mich an die Verfolgungsjagd in Moskau.
    Am Ausgang des Pressekonferenzsaales stehen Vesna und Oskar. Als endlich alles vorbei ist, gehe ich auf die beiden zu. Oskar umarmt mich, und es ist ihm egal, wie viele Kameras aufblitzen. »Ich habe noch nie im Leben so viel Angst gehabt wie in den letzten Wochen«, flüstert er in mein Ohr. »Ich möchte dich nie verlieren.«
    »Ich auch«, flüstere ich sprachlich nicht ganz korrekt zurück. Und ich beziehe es auf beides. Und er versteht mich.
    Ich habe Dolochow etwas versprochen. Ich besuche das Grab seines Großvaters, trinke ein halbes Glas Wodka auf ihn und stelle das halb volle Glas auf sein Grab.
    Wieder einmal fahre ich durchs Weinviertel, links neben der Straße das braune Erdband, das einmal die Autobahn werden soll. Staub und Lastwagen. Was bringt es mir, irgendwann fünf oder zehn Minuten früher in Wien zu sein? Was ist das gegen die Ruhe rund um Manningers »Apfelbaum«? Was ist das gegen einen alten Weingarten?
    In Mistelbach mache ich halt. Es gibt hier einen kleinen Laden mit hinreißenden Schokotrüffeln. Ich werde Manninger welche schicken. Und Karla auch. Ich kaufe viel zu viele, möchte die ganze Welt verwöhnen. Ich will wieder ausparken, lege den Rückwärtsgang ein. Wird man Sachow und Popp wirklich finden? Die Chancen stehen wohl recht gut. Seit gestern haben sich acht weitere Investoren gemeldet. Sie alle haben das große Geld gerochen, davon geträumt, durch einen Oligarchen reich zu werden. Wem Russland gehört, dem gehört die ganze Welt. Wird Guggenbauer sein Hotel »Sonnenhof« behalten können? Sieht ganz danach aus. Der Großteil seines Geldes dürfte noch auf dem Konto der Ost-West-Kreditbank liegen. Ich zucke zusammen. Ich war zu sehr in Gedanken, ich bin auf das hintere Auto aufgefahren. Verdammt. Die Parklücke war doch so groß. Ist etwas passiert? So stark war der Aufprall nicht. Vielleicht sollte ich schnell ausparken und im Vorbeifahren schauen, ob das andere Auto eine Delle hat, und wenn nicht, dann … Wieder Pech. In dem Auto sitzen zwei Männer. Einer von ihnen ist schon ausgestiegen.
    Ich wappne mich und steige auch aus.
    »Fünfzig Euro, dann wir brauchen keine Polizei«, sagt er. Sein Akzent ist eindeutig russisch. Ich starre ihn an. Werde ich noch immer verfolgt? Unsinn. Die Sache ist vorbei. Überlege, Mira. Als du den Rückwärtsgang eingelegt hast, hast du in den Rückspiegel geschaut. Die Parklücke war groß, das hast du dir nicht eingebildet. Jetzt ist sie so klein, dass mein Auto kaum Platz hat.
    »Ich will aber Polizei«, sage ich zu dem Mann und grinse ihn an.
    Der zweite Mann steigt aus. Er ist mindestens so groß wie Slobo. Und er hat Hände wie Tennisschläger. Wir sind hier in Mistelbach. Die Straße ist belebt. Ich bin nicht allein mit den beiden.
    »Dreißig Euro«, sagt der Mann mit den Tennishänden. »Und wir nicht darüber reden.«
    Ich kann nicht anders, ich beginne zu lachen und kann gar nicht mehr damit aufhören. Manche Russen geben es wirklich billig. »Haut ab, bevor ich die Polizei hole«, keuche ich. Die beiden sehen einander verwirrt an, sie springen ins Auto, setzen zurück, und weg sind sie.
    Russische Gauner.
    Aber es waren keine Russen, sondern ein Österreichischer Universitätsprofessor und ein deutscher Unternehmer, die Dolochow gefoltert und umgebracht haben. Gier. Die gibt es überall. Und Verbrecher. Und kleine Gauner. Und solche, die keine sind. Und dann gibt es noch die Menschen, bei denen man nie so genau weiß.
    Ich parke aus und fahre Richtung Grenze. Die Wodkaflasche liegt auf dem Beifahrersitz.

Über die Autorin:
    Eva Rossmann, 1962 in Graz geboren, lebt im niederösterreichischen Weinviertel. Sie arbeitete als Verfassungsjuristin, dann als politische Journalistin, u. a. beim ORF und bei der NZZ ; seit 1994 ist sie freischaffende Autorin und Publizistin. Seit ihren Recherchen für AUSGEKOCHT arbeitet sie auch als Köchin in einem Michelin-Lokal im österreichischen Weinviertel.
    RUSSEN KOMMEN ist ihr zehnter Kriminalroman mit Mira Valensky und Vesna Krajner.
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