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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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Er darf uns nicht sehen.
    »Es gibt zwei Ausgänge, besser man hat ihn im Blick«, meint Vesna.
    Wir setzen uns in die letzte Reihe, hundertfünfzig Studierende, schätze ich. Manche schreiben mit, andere starren gelangweilt in die Luft, wieder andere beschäftigen sich mit ihrem Mobiltelefon.
    Welser doziert: »Wie also der bekannte österreichische Naturrechtler Joseph von Sonnenfels in seinem Hauptwerk Grundsätze der Polizei ›Handlung und Finanz‹ bereits anregte, leistet die Vereinheitlichung der Sprache und des Sprachgebrauches von Behörden einen ganz wesentlichen Beitrag nicht nur zur Vereinfachung der Verwaltung, sondern auch zu deren Verständlichkeit. Etwas, das natürlich weit über Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie hinausweist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Nur wer sich auszudrücken vermag, wird verstanden werden.«
    Es wird auf die Bänke geklopft, die Vorlesung ist vorüber. Der Professor mit dem grauen Bart geht Richtung Ausgang, wir eilen die Bankreihen nach unten, nicken im Vorübergehen Fran zu. Er beobachtet Welser weiter, Slobo unterstützt ihn dabei, der wartet allerdings draußen, ihm hätte man einen Studenten der Rechtswissenschaften wohl kaum geglaubt. Jedenfalls aber wäre der Bär aus Bosnien aufgefallen. Zum Glück wird Welser von einer Studentin aufgehalten. Wir stellen uns brav hinten an. Der Professor bemerkt Vesna und mich, runzelt die Stirn. Aber er kann schwerlich vor uns davonlaufen. Würde sich vor seinen Studenten nicht gut machen. Als die Studentin mit Dank weitergeht, sagt er knapp: »Ich habe zu tun. Keine Zeit für Sie. Sie haben hier nichts zu suchen.«
    »Wer sich klar ausdrückt, wird verstanden«, lächle ich. »Keine Sorge, wir haben eine gute Nachricht für Sie.«
    Er starrt uns an.
    »Sonja Rostowjewa ist in Wien. Die Dolmetscherin. Sie wird aussagen. Sie weiß eine ganze Menge über den Mord«, sage ich.
    »Sie könnte auch wissen, wo Geld geblieben ist«, ergänzt Vesna.
    »So ein Unsinn. Wo ist sie?«, sagt der Professor und sieht gar nicht drein, als würde er sich freuen.
    Ich lächle. »Detail gefällig? Der Anwalt, der die Verträge gemacht hat, heißt Gustav Kronberger. Dolochows Leibwächter heißt Sergej Popp. Nach Dolochows Tod war er dazu da, die Investoren einzuschüchtern. Müssen Sie ja wissen.«
    Universitätsprofessor Welser starrt uns noch immer an. Dann beginnt sich sein Gesicht zu verziehen, die Mundwinkel gehen langsam nach oben, er schmunzelt, er strahlt. »Das ist ja wirklich wunderbar«, sagt er und geht.
    Fran hält sich knapp hinter ihm.
    »Seine Augen haben nicht gelacht«, sagt Vesna, als wir hinter einer Anschlagtafel vor dem juridicum stehen und warten. Ob Welser die Uni verlässt, um nach Sonja zu suchen? Es dauert keine zehn Minuten, und der Rechtswissenschaftler erscheint. Er ist offensichtlich in großer Eile, stürmt die Gasse hinauf, betritt eine öffentliche Telefonzelle.
    »Er hat sein Handy verloren?«, sagt Vesna spöttisch. Ich sehe Slobo, der Teller in der Auslage eines Haushaltsgeschäftes besichtigt. Fran steht neben einem Baum und schaut in die Luft. Wir dürfen Welser nicht länger selbst beobachten, zu großes Risiko, dass er uns entdeckt.
    Ich fahre mit Vesna zu Oskars Wohnung. Ich habe Oskar versprochen, nicht allein zu bleiben. Ich muss an meiner Reportage arbeiten, egal ob ich noch mehr erfahren werde oder nicht.
    Vesna sieht sich in Oskars Wohnung um. Sie war erst wenige Male hier. »Hätte kein Problem, da zu leben«, sagt sie. »Mit so einem Blick auf Wien.«
    Ich erinnere sie daran, dass Valentin Freytag eine sehr schöne Villa besitzt. Und dass sie trotzdem nicht bei ihm einziehen will.
    »Ist ganz anderer Fall«, sagt sie.
    Womit sie eigentlich recht hat. Ich fahre meinen Laptop hoch.
    »Aber Putzfrau von Oskar ist nicht gründlich«, kommt es wenig später aus der Küche. »Ich könnte Zeit nützen und Küche putzen.«
    »Du unterstehst dich. Du nimmst dir einen Drink und bewachst mich.«
    »Bewachen kann ich dich auch beim Putzen.«
    »Setz dich auf die Terrasse und gib Ruh. Es ist Sonne. Genieße sie.« Ich weiß, dass Vesna Sonne mindestens so liebt wie ich.
    Vesna gibt sich geschlagen. Ich mache uns »Grande Sprizz« nach diesem wunderbaren Rezept von Gianni im Veneto: viel Eis, Sodawasser, etwas Campari und einen guten Schuss Prosecco. Ich nehme etwas weniger vom Prosecco als üblich. Könnte sein, dass wir halbwegs nüchtern bleiben sollten.
    Ich beginne mit meiner Story, indem ich die
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