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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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Fakten untereinanderschreibe. Fingerarbeit. Arbeit zum Gedankenordnen.
    »Sonne ist wunderbar«, sagt Vesna von draußen. »Aber wenn ich mir vorstelle, man fesselt mich an diesen Liegestuhl und ich kann nicht mehr fort … Tage nicht und Nächte nicht … Ganz schlimm.«
    Ich setze mich an meine Reportage, doch trotz der vielen neuen Details gefällt sie mir nicht. Wir brauchten Sonja, sie lässt nichts von sich hören. Fran berichtet Vesna, dass Welser heimgefahren ist. Zur genau gleichen Zeit wie immer. Haben wir uns geirrt? Ist er tatsächlich nur zur Telefonzelle geeilt, weil er sein Mobiltelefon nicht dabei hatte? Früher wäre einem so etwas nie verdächtig vorgekommen.
    Oskar kommt, er hat unterwegs eingekauft. Köstlichkeiten aus dem Delikatessenladen, die ich so liebe. Wir essen zu dritt zu Abend. Die Anspannung bleibt. Wir haben beschlossen, Welser trotz allem nicht aus den Augen zu lassen. Bruno und Slobo sollen einander in der Nacht abwechseln. Wir reden über den nächsten Urlaub, und ich denke an Sonja. Wir reden über den Wiener Polizeiskandal, und ich denke an den toten Dolochow. Irgendwann einmal müssen mir die Augen zugefallen sein.
    »Sie hat noch immer viel zu wenig geschlafen«, höre ich Oskar flüstern. Ich lasse die Augen zu, es tut so gut.
    Vesna hat auf Oskars Gästecouch übernachtet. Er musste früh raus, Gerichtstag. Das Leben geht weiter. Fran hat die beiden Bosnier wieder abgelöst. Welser ist zur üblichen Uhrzeit zum Juridicum gefahren, er ist in seinem Büro. Fran klagt, dass er selbst in eine wichtige Vorlesung müsse. Aber Vesna gelingt es nicht, Jana zu erreichen. »Und Bruno und Slobo müssen schlafen, ist besser«, sagt sie zu mir, nachdem sie ihren Sohn überredet hat, bis auf Weiteres durchzuhalten.
    Ich sollte in die Redaktion. Wir haben ausgiebig gefrühstückt, alles noch einmal durchgesprochen. Keine neuen Ergebnisse.
    Wir wollen gerade aufbrechen, als Vesnas Telefon läutet. Schon wieder Fran.
    »Was? Wirklich?«, ruft Vesna und das Gespräch ist auch schon wieder vorbei. Sie sieht mich an. »Welser ist Richtung Flughafen unterwegs. Zumindest wartet er auf diese Flughafenschnellbahn. Was tun wir, wenn er abhaut?«
    Ich überlege. »Er hat Angst, dass Sonja redet. Wenn wir nur wüssten, warum.«
    Vesna nickt. »Slobo ist auch da, aber Fran bleibt, das ist zu heikel für Slobo allein. Sie sollen ihn beide beobachten. Man sieht, für welchen Flug er eincheckt, das muss reichen, um Polizei zu verständigen. Kann ja auch sein, er trifft bloß jemand.«
    Sollen auch wir zum Flughafen? Was, wenn Welser uns sieht?
    Es läutet. Oskar. Seit wann kommt er in einer Verhandlungspause heim? Weiß er etwas Neues? Ich lausche. Aber kein Schlüssel, der sich im Schloss dreht.
    »Das ist nicht die Gegensprechanlage, sondern die Wohnungsglocke«, erkläre ich Vesna. »Man braucht eigentlich einen Schlüssel, um ins Haus zu kommen.«
    »Ich mache auf«, sagt Vesna. »Du bist in der Küche. Wenn etwas passiert, du kannst telefonieren.«
    Keine Chance, zu widersprechen. Ich packe mein Mobiltelefon und lausche von der Küche aus.
    »Danke«, höre ich Vesna sagen. Das ist alles. Dann geht die Tür wieder zu.
    »War nur ein Fahrradbote«, sagt Vesna. »Ist wohl mit irgendjemand mit ins Haus gekommen.«
    Ich merke es ihrer Stimme an. Auch sie ist erleichtert.
    Ein großes Kuvert. Es ist an mich adressiert. Seltsam. Für eine Bombe ist es zu dünn. Ich öffne das Kuvert dennoch ganz vorsichtig.
    Bloß eine Zeile:
    »Sonja steht auf dem Treppenabsatz.«
    Ich überlege nicht lange, reiße die Tür auf, Vesna schafft es nicht, mich zurückzuhalten. Ich renne die paar Stufen nach oben.
    »Sei vorsichtig, wenn es ist eine Falle …«
    Wir stehen mit Sonja im Vorzimmer. Ich habe den Schlüssel zwei Mal im Schloss umgedreht. Oskar hat nicht mehr als dieses eine Türschloss.
    Sonja ist bleich, sie schwankt. Sie hat noch immer kein Wort gesagt.
    »Sonja braucht etwas zu trinken«, meint Vesna praktisch, nimmt sie an der Hand und führt sie zum Esstisch im großen Raum.
    »Ich habe geglaubt, jetzt bin ich tot«, erzählt die Russin wenig später, »ich war in einem guten Versteck. In einem Hinterzimmer in einem Internetcafé, das einem Freund gehört. Ich habe alles gelesen, was mir Ihre Freundin Karla geschickt hat, aber ich hatte zu große Angst, um zu antworten. Ich habe gewartet, dass Sie mir sagen, Sie wissen einen Weg, wie ich nach Wien komme.«
    »Jetzt bist du ja da«, sagt Vesna so ruhig wie
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