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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen
Autoren: Eva Rossmann
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erneut. Niemand geht dran, nicht einmal ein Anrufbeantworter ist eingeschaltet.
    Ein Flug nach Leipzig wird aufgerufen. Wenn Flemming jetzt abfliegt … Flughafenpolizei. Aber Vesna hat ihr digitales Aufnahmegerät aus der Tasche gezogen, sie schaltet es ein, steckt es in ihre blaue Leinenjacke. »Komm mit«, sagt sie und zieht mich Richtung Businesslounge.
    »Wir dürfen hier nicht rein«, protestiere ich. Stimmt nicht. Ich habe eine Kreditkarte, mit der man Vergünstigungen am Flughafen hat. »Eine Sekunde!«
    Ich präsentiere der jungen Frau am Empfang so gelassen wie möglich meine Karte. »Das hier ist meine Begleitung«, sage ich leise und deute auf Vesna. Und schon sind wir drinnen. Welser und Flemming sind so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie uns gar nicht wahrnehmen. Sie reden zu leise, als dass wir etwas verstehen könnten. Vielleicht sind die elektronischen Ohren des Aufnahmegerätes besser, vielleicht lässt sich etwas von den Aufzeichnungen ausreichend verstärken. Da dreht Flemming sich um, erkennt uns und starrt uns an. Vesna geht auf die beiden zu, ich folge ihr.
    »Wir wissen, dass Sie Dolochow ermordet haben«, sagt Vesna.
    »Diese Sonja. Man wird einem Callgirl nicht glauben«, antwortet Welser.
    »Sonja ist kein Callgirl«, erwidere ich und packe ihn am Ärmel. »Sie hat ein Foto von Flemming, Dolochow und Ihnen auf der Dachterrasse. In ungleich verteilten Rollen. Sachow ist mit dem Geld durchgegangen, nicht wahr? Er weiß, dass Sie Dolochow ermordet haben, und droht Ihnen damit.«
    Flemming flüstert: »Sie lassen uns jetzt sofort in Ruhe. Es war Sachow, der ihn ermordet hat.«
    »Der war nicht einmal in Wien.«
    Plötzlich ein Stoß, ich war nicht darauf gefasst, ich taumle, ich falle, Vesna schreit auf, erwischt Welser von hinten, Flemming ist zur Tür hinaus. Ich rapple mich auf, ich muss … und sehe, dass Zuckerbrot vor der Tür steht. Er hält Flemming fest. Slobo kommt und packt Welser. Zuckerbrot sieht mich fragend an.
    Ich erzähle in groben Zügen. Von Sonja. Von dem Foto. Auf welche Weise die beiden honorigen Investoren Wassili Dolochow dazu bringen wollten, ihnen zu sagen, wo das Geld geblieben war.
    »Wir haben ihn nicht umgebracht«, faucht Welser. »Wir haben ihn nur nach unserem Eigentum gefragt. Er ist es, der uns betrogen hat.«
    »Sie haben längst gewusst, dass er nicht der Oligarch war, und trotzdem haben Sie Guggenbauer und andere überredet, auch noch zu investieren«, erwidere ich.
    »Wassili Dolochow war der Verbrecher«, sagt Flemming seltsam ruhig, »nicht wir.«
    Eigenartigerweise beachtet uns keiner. Menschen hasten vorbei, manche, so habe ich den Eindruck, sehen sogar weg. Man will mit zwei Männern, die von zwei Männern festgehalten werden, nichts zu tun haben.
    »Er ist suspendiert«, sagt Welser plötzlich zu Flemming und starrt dabei Zuckerbrot an. »Er hat nicht einmal eine Waffe, dieser Kommissar.«
    Flemming rammt Zuckerbrot völlig unvermittelt seinen Ellenbogen in den Bauch. Zuckerbrot stöhnt auf, lässt los, Flemming rennt davon. Slobo schaut entsetzt. Soll er Welser loslassen?
    »Bleib da«, schreie ich, gemeinsam mit Vesna hetze ich hinter Flemming her. Er ist gut in Form, aber eine Verfolgungsjagd am Flughafen, die sorgt nun doch für Aufsehen. »Polizei«, keuche ich. Zwei Männer, eine Frau in Uniform. Flemming hat keine Chance.
    »Der Leiter der Mordkommission 1«, keuche ich. »Er steht dort hinten mit dem zweiten Täter.«
    Wir gehen die paar hundert Meter zurück.
    »Das wird Ihnen noch leidtun«, knurrt Flemming. Die Polizistin ist klein, keine dreißig, aber sie hat ihn gemeinsam mit ihrem Kollegen gut im Griff.
    Zuckerbrot sieht uns näher kommen.
    »Vielleicht kann ich auf diese Weise einiges wiedergutmachen?«, frage ich ihn.
    Er lächelt mich an. »Nicht Ihre Schuld, das mit der Suspendierung«, sagt er dann. »Ich bin eben in eine Falle zwischen den Gierigen und den Eitlen getappt.«

[  12  ]
    Z uckerbrot und ich. Vor uns eine Menge Journalisten, Kameras, Mikrofone. In drei Stunden erscheint das »Magazin« mit meiner Reportage über den Dolochow-Mord. Inklusive Handyfoto. Sonja wird sich einem Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung stellen müssen, aber sie hat gute Chancen, mit einem milden Urteil davonzukommen, meint Oskar. Sie habe wohl nicht damit rechnen können, dass der Leibwächter Popp nichts unternimmt.
    Zweites Kernstück meiner Story ist ein Interview mit dem Oligarchen Boris Dolochow. Ich habe ihn gestern
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