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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Waffen und
Rum. Der eigentliche Markt lag hinter dem wenig imposanten Südtor. Dort gingen die Stadtbewohner einkaufen,
während sie die Gegend zwischen den Toren mieden,
denn die war nur für unwissende Neuankömmlinge gedacht, welche den eigentlichen Preis der Dinge nicht
kannten. Hier war der Schwindlermarkt, der Diebesmarkt, lärmend laut, überteuert und verpönt. Doch müden
Reisenden, die sich in der Stadt noch nicht auskannten
und zudem zögerten, den weiten Weg rund um die Außenmauer zum größeren und wohlfeileren Basar zu machen, blieb kaum eine andere Wahl, als sich mit den
Händlern am Elefantentor abzugeben. Ihr Bedarf war so
dringlich wie schlicht.
Lebende Hühner, gackernd vor Angst, hingen kopfüber
herab und harrten flatternd, die Füße zusammengebunden, des Kochtopfs. Auf den, der Fleisch verschmähte,
warteten andere, stillere Töpfe; Gemüse machte keinen
Lärm. Und waren das etwa Frauenstimmen, die der Wind
dem Reisenden zutrug? Klagende, spöttische, lockende
Stimmen von Frauen, die ungesehenen Männern zulachten? Waren es Frauen, deren Duft er in der Abendbrise
erschnupperte? Heute war es sowieso zu spät, den Kaiser
aufzusuchen. Der Reisende hatte Geld in der Tasche und
eine lange, an Umwegen reiche Reise hinter sich. Das
war nun einmal seine Art: sich auf indirekte Weise, mit
vielen Abstechern und Abschweifungen, dem Ziel zu
nähern. Seit er in Surat an Land gegangen war, hatte ihn
sein Weg über Burhanpur, Handia, Sironj, Narwar, Gwalior und Dholpur nach Agra geführt, und von Agra hierher, zur neuen Hauptstadt. Jetzt wollte er das bequemste
Bett, das für Geld zu haben war, und eine Frau, am liebsten eine ohne Schnurrbart, und zu guter Letzt noch ein
Quäntchen Vergessen, die Flucht vor dem Selbst, das nie
in den Armen einer Frau, sondern nur mit Hilfe eines
guten, starken Tropfens zu finden war.
Später, als seine Begierde befriedigt war, lag er fröhlich
schnarchend im duftgeschwängerten Hurenhaus neben
einem schlaflosen Freudenmädchen und träumte. In sieben Sprachen konnte er träumen: Italienisch, Spanisch,
Arabisch, Persisch, Russisch, Englisch und Portugiesisch.
Die vielen Zungen waren ihm zugefallen, wie sich die
meisten Seeleute Krankheiten holen; Sprachen waren
sein Tripper, seine Syphilis, sein Skorbut, seine Malaria
und seine Pest. Kaum war er eingenickt, brabbelte die
halbe Welt in seinem Hirn und erzählte ihm phantastische Geschichten von fernen Reisen. In dieser halbentdeckten Welt brachte ihm jeder Tag Neuigkeiten von
unbekanntem Zauber. Die bilderreiche, enthüllende
Traumpoesie des Alltäglichen war noch nicht von der
engstirnigen, nüchternen Wirklichkeit erdrückt. Es waren
wundersame Geschichten gewesen, die ihn, den Geschichtenerzähler, zur Tür hinausgetrieben hatten, vor
allem jene eine, und die mochte sein Glück bedeuten
oder ihn das Leben kosten.
2. An Bord des schottischen Piratenschiffes Scathath …
    An Bord des schottischen Piratenschiffes Scathath, benannt nach einer sagenhaften Kriegergöttin der Insel
Skye, einem Schiff; dessen Mannschaft sich mitsamt
ihrem Kapitän, einem schottischen Lord, viele Jahre lang
fröhlich überall in der Karibik herumgetrieben hatte, um
zu rauben und zu plündern, das sich gegenwärtig aber in
Staatsgeschäften unterwegs nach Indien befand, war es
dem blinden Passagier, jenem lässigen Florentiner, nur
mit Mühe gelungen, nicht Hals über Kopf in die schaumigen Fluten vor Südafrika geworfen zu werden, indem
er eine lebende Wasserschlange aus dem Ohr des erschrockenen Bootsmannes zog und sie an seiner statt
über Bord schleuderte. Sieben Tage nachdem man Cape
Agulhas an der Spitze des afrikanischen Kontinents umrundet hatte, war er unter einer Koje in der Back des
Schiffes gefunden worden, mit senffarbenem Wams, einer Hose gleicher Farbe und einem langen Harlekinmantel aus leuchtend bunten Flicken, im Arm eine kleine
Reisetasche; so lag er fest schlafend und laut schnarchend da, als kümmerte es ihn nicht im Mindesten, ob er
entdeckt würde. Er schien sogar durchaus willens, sich
auffinden zu lassen, und legte ein verblüffendes Vertrauen in seine Fähigkeit an den Tag, alle Welt zu betören, zu
blenden und für sich einzunehmen. Immerhin hatten sie
ihn bereits ein weites Stück des Wegs mitgenommen.
Und tatsächlich erwies er sich als wahrhafter Zauberer,
verwandelte er doch Goldmünzen in Rauch und gelben
Rauch zurück in Gold. Ein Krug mit frischem Wasser
wurde
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