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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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«Ihr amüsiert mich, kleiner
Vogel», sagte er. «Glaubt Ihr etwa, ich fürchte mich vor
dem Fluch Eurer grüngesichtigen Hexe? Habe ich nicht
am Tag der Toten mit Baron Samedi getanzt und sein
Voodoo-Gebrüll überlebt? Ich würde es als große Unhöflichkeit auffassen, wenn Ihr mir nicht stante pede alles
erzähltet.»
«Dann soll es so sein», begann der blinde Passagier. «Es
lebte dereinst im Fernen Osten ein Fürst namens Argalia,
auch Arcalia genannt, ein großer Krieger, der Zauberwaffen sein Eigen nannte und zu dessen Gefolge vier
schreckliche Riesen gehörten; außerdem war eine Frau
bei ihm, Angelica … »
«Haltet ein», rief Lord Hauksbank vom Orte gleichen
Namens und hielt sich die Stirn. «Mir dreht sich schon
jetzt der Schädel.» Doch sagte er nach einer kleinen Pause: «Fahrt fort.»
« … Angelica, eine Prinzessin aus dem königlichen Geblüt des Dschingis Khan und Tamerlan … » «Schweigt
still, nein, macht weiter.» « … die allerschönste … »
«Hört auf.»
Woraufhin Lord Hauksbank bewusstlos zu Boden sank.
    Der Reisende, dem es schon fast peinlich war, wie leicht
er seinem Gastgeber Laudanum ins Glas hatte tröpfeln
können, legte das Holzkästchen sorgsam ins Versteck
zurück, zog den kunterbunten Mantel fest um sich und
eilte hilferufend auf das Hauptdeck. Er hatte den Mantel
bei einem Kartenspiel gewonnen, einer Partie scarabocion gegen einen erstaunten venezianischen Diamantenhändler, der einfach nicht glauben wollte, ein dahergelaufener Florentiner könne an den Rialto kommen und Ortsansässige in ihrem eigenen Spiel schlagen. Der Händler,
ein Bart und Ringellöckchen tragender Jude namens Shalach Cormorano, hatte sich den Mantel eigens bei Venedigs berühmtestem Schneider machen lassen, der allgemein nur als Moro Invidioso bekannt war, da das Schild
über der Tür einen grünäugigen Araber zeigte; und dieser
Mantel war wahrlich ein okkultisches Wunderwerk, denn
seine Säume bargen einen Katakombenwirrwarr geheimer Taschen und verborgener Falten, in denen der Diamantenhändler seine wertvollen Waren verstecken konnte. Für einen Luftikus wie «Uccello di Firenze» ließ er
sich ausgezeichnet für allerlei Tricks gebrauchen.
«Rasch, meine Freunde, rasch», rief der Reisende nun
mit überzeugend gespielter Sorge. «Seine Lordschaft
braucht uns.»
Falls es inmitten dieser rauen Schar von zu Diplomaten
gewandelten Freibeutern einige engstirnige Zyniker gab,
die angesichts des plötzlichen Schwächeanfalls ihres Anführers misstrauisch wurden und den Neuankömmling
folglich mit Blicken maßen, die seiner Gesundheit abträglich zu sein versprachen, wurden sie halbwegs durch
die offenkundige Fürsorge beruhigt, die «Uccello di Firenze» für Lord Hauksbanks Wohlergehen an den Tag
legte. Er half, den Bewusstlosen in die Koje zu tragen,
entkleidete ihn, mühte sich mit seinem Schlafgewand ab,
legte ihm heiße und kalte Kompressen auf die Stirn und
wollte nicht essen und nicht ruhen, ehe es um das Befinden des schottischen Lords wieder besser bestellt war.
Der Schiffsarzt nannte den blinden Passagier eine unschätzbare Hilfe, und als die Mannschaft dies hörte, begab sie sich murrend und achselzuckend wieder auf ihre
Posten.
Kaum waren sie allein mit dem besinnungslosen Mann,
gestand der Arzt «Uccello», wie sehr es ihn verblüffe,
dass der Aristokrat sich weigere, aus diesem plötzlichen
Koma wieder zu erwachen. «Soweit ich sehen kann, ist
mit dem Mann gottlob alles in Ordnung, nur will er eben
nicht wieder zu sich kommen», sagte er, «wiewohl es in
dieser lieblosen Welt weiser sein mag zu träumen, als zu
wachen.»
    Der Arzt war ein einfacher, gefechterprobter Mann namens Lobegott Hawkins, ein gutherziger Knochenflicker
mit beschränktem medizinischem Sachverstand, der es
eher verstand, spanische Kugeln aus den Leibern seiner
Schiffsgefährten zu polen und nach einem Handgemenge
mit den Spaniern klaffende Säbelhiebwunden zu vernähen, als mysteriöse Schlafkrankheiten zu heilen, die
ebenso unerwartet aus dem Nichts auftauchten wie blinde
Passagiere oder Gottesurteile. Hawkins hatte ein Auge in
Valparaiso gelassen, ein halbes Bein in Nombre de Dios,
und Nacht für Nacht sang er zum Lobe einer Maid auf
einem Balkon im Ribeira-Viertel von Oporto schwermütige portugiesische fados, wozu er sich selbst auf einer
Art Zigeunerfiedel begleitete. Dabei vergoss Lobegott
stets ausgiebig Tränen, und «Uccello» begriff, dass der
Arzt sich
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