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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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aufgegeben, ihn anzuschreien, hielt er den Fremden doch
anfangs für einen Narren - wenn er unterwegs sterben
wollte, dann sollte es wohl so sein, und keinen Menschen
in diesem Land würde es kümmern! Rasch aber war sein
Zorn einer widerwilligen Bewunderung gewichen. Der
Mann mochte ein Narr sein, man könnte gar behaupten,
er trage auch das allzu gefällige Gesicht eines Narren und
dessen unpassende Kleider - einen Mantel aus bunten
Lederflicken, bei dieser Hitze! -, doch musste man staunen, wie tadellos er das Gleichgewicht hielt. Der Ochse
trottete voran, die Karrenräder krachten in Schlaglöcher
und rumsten gegen Steine, der Mann aber schwankte
kaum und machte bei alldem irgendwie noch einen recht
anmutigen Eindruck. Ein anmutiger Narr, dachte der
Kutscher, vielleicht aber auch gar kein Narr. Vielleicht
jemand, den man nicht unterschätzen sollte. Wenn etwas
an ihm auszusetzen war, dann höchstens sein großspuriges Gehabe, sein Versuch, nicht nur er selbst zu sein,
sondern auch ein Schauspiel seiner selbst zu bieten, aber,
dachte der Kutscher, ein wenig sind alle Menschen hier
in der Gegend so, also ist uns der Fremde vielleicht doch
gar nicht derart fremd. Als sein Passagier meinte, er habe
Durst, eilte der Kutscher, ohne nachzudenken, beflissen
ans Ufer des Sees, um in einer ausgehöhlten, lackierten
Kalebasse einen Schluck Wasser zu holen und ihn vor
aller Welt dem Fremden darzubieten, als wäre er ein Adliger, dem solch Gebaren gebührte .
    «Ihr steht da wie ein großer Herr, und ich springe und
eile, um Euch zu Diensten zu sein», sagte stirnrunzelnd
der Kutscher. «Ich weiß nicht, warum ich Euch so gefällig bin. Wer gab Euch das Recht, mich herumzukommandieren? Was seid Ihr überhaupt? Kein Edelmann, so
viel ist sicher, sonst führet Ihr nicht in meinem Karren.
Und doch tut Ihr vornehm. Also seid Ihr gewiss ein Gauner.» Der Mann nahm einen kräftigen Schluck aus der
Kalebasse. Das Wasser lief ihm aus den Mundwinkeln
und hing wie ein flüssiger Bart am rasierten Kinn.
Schließlich reichte er das leere Gefäß zurück, stieß einen
zufriedenen Seufzer aus und wischte sich den Bart fort.
«Wer ich bin?», sagte er, als redete er mit sich selbst,
wenn auch in des Kutschers Sprache. «Ich bin ein Mann
mit einem Geheimnis, das bin ich - mit einem Geheimnis,
das allein für die Ohren des Königs bestimmt ist.» Der
Kutscher fand sich bestätigt: Der Kerl war wirklich ein
Narr. Es war also nicht nötig, ihm Respekt zu erweisen.
«Behaltet Euer Geheimnis», sagte er. «Geheimnisse sind
für Kinder - und für Spione.» Vor der Karawanserei, wo
alle Reisen enden und ihren Anfang nehmen, stieg der
Fremde aus dem Karren. Er war überraschend groß gewachsen und hielt eine Reisetasche in der Hand. «Und
für Zauberer», sagte er dem Karrenkutscher. «Auch für
Liebende. Und für Könige.»
Großer Trubel herrschte in der Karawanserei. Pferde,
Kamele, Ochsen, Esel und Ziegen wurden getränkt und
gefüttert, und auch ungezähmte Tiere liefen wild durch
die Gegend: kreischende Affen, Hunde, die keinem Menschen gehörten. Krächzende Papageien stoben wie grünes
Feuerwerk über den Himmel. Schmiede waren an der
Arbeit und Zimmerleute; und an allen vier Seiten des
riesigen Platzes planten Männer an den Ständen der Karawanenausrüster ihre Reisen, stockten Vorräte auf, Kerzen, Öl, Seife und Seile. Pausenlos liefen Turban tragende Kulis mit Lendentuch und rotem Hemd hin und her,
mit unglaublich großen, schweren Bündeln auf dem
Kopf. Überall wurden Waren be- und entladen. Ein Bett
für die Nacht war billig zu haben, Holzgestelllager mit
borstigen Pferdehaarmatratzen standen in Reih und Glied
auf den Dächern der einstöckigen Gebäude rund um den
gewaltigen Hof der Karawanserei bereit, Betten, aus denen man in die Himmel hinaufsehen und sich selbst für
gottgleich halten konnte. Weiter draußen, im Westen,
lagen die raunenden Zeltstädte der kaiserlichen Regimenter, die erst kürzlich aus den Kriegen zurückgekehrt waren. Den Soldaten war es nicht gestattet, den Palastbereich
zu betreten; sie mussten am Fuße des königlichen Hügels
verharren. Eine tatenlose Armee, gerade erst aus der
Schlacht zurück, da war Vorsicht ratsam. Der Fremde
dachte an das alte Rom. Ein Kaiser traute keinem Soldaten, höchstens seinen Prätorianern. Und auch er selbst
würde auf die Frage, ob man ihm vertrauen konnte, eine
überzeugende Antwort vorbringen müssen, das wusste
der
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