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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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Mahal und erinnerte sich an jenen legendären Abend, an dem Tansen im Hause Skanda den deepak raag gesungen und nicht nur alle Öllampen, sondern
auch sich selbst entflammt hatte. Noch in dem Moment,
da er dieser Erinnerung nachhing, flackerte tief unter ihm
am Uferrand des Sees eine roten Flammenblüte auf, und
erst nach einem dumpfen Moment des Nichtverstehens
begriff er, dass in der Nacht ein Haus brennen musste.
Sobald er herausfand, dass das Haus Skanda bis auf die
Grundmauern niedergebrannt war, packte ihn flüchtiges
Entsetzen, da er sich fragte, ob das Feuer in seinen Gedanken irgendwie dieses andere, tödlichere Feuer ausgelöst haben könnte. Trauer erfüllte ihn bei der Vorstellung,
Niccolo Vespucci müsse tot sein. Doch als die qualmende Ruine durchsucht wurde, fand man keine Spur vom
Leichnam des Fremdlings. Unter den verkohlten Trümmern waren auch keine Überreste von Skelett und Matratze zu finden, ja, sämtliche Damen des Etablissements
sowie alle Kunden des Hauses schienen rechtzeitig entkommen zu sein. Dame Man Bai war nicht die einzige
Person in Fatehpur Sikri, die ihre Ohren weit aufgesperrt
gehalten hatte. Das Skelett hatte ihre frühere Dienstherrin
schon viel zu lange gefürchtet.
Als der Herrscher vom Verschwinden des Fremdlings
hörte, von der mysteriösen Art und Weise, mit der er sich
mitten aus einem brennenden Haus heraus in Luft aufgelöst hatte - was viele Bürger der Stadt bereits veranlasste,
ihn für einen Zauberer zu halten -, fürchtete er das
Schlimmste. Jetzt werden wir ja sehen, dachte er, ob es
mit all seinem Gerede über Flüche etwas auf sich hatte.
Am Morgen nach dem Feuer fand man am anderen Ufer
des Sees das flache Transportschiff Gunjayish, versenkt
durch ein großes Loch im Rumpf, das offenbar voller
Wut mit einer Axt hineingeschlagen worden war. Niccolo Vespucci, der Mogul der Liebe, hatte sich auf immer
davongemacht, doch nicht durch Zauberei, sondern an
Bord eines Schiffes, und die beiden Frauen hatte er mitgenommen. Eine Eislieferung aus Kaschmir traf ein,
doch gab es kein Schiff, sie über den See von Sikri zu
bringen. Die komfortableren Passagierschiffe Asayish
und Arayish mussten zu diesem Dienst herangezogen
werden, und sogar das kleine Kurierskiff Farmayish belud man bis an die Wasserkante mit Eisblöcken. Er straft
uns mit Wasser, dachte der Herrscher. Nun, da er fort ist,
lässt er uns nach seiner Gegenwart dürsten. Als Prinz
Salim auf Drängen von Dame Man Bai bei ihm vorsprach, um das ver-schwundene Trio anzuklagen, es habe
das eigene Haus in Brand gesetzt, konnte der Herrscher
das schlechte Gewissen seines Sohnes wie ein Leuchtfeuer auf dessen Stirn brennen sehen, doch sagte er kein
Wort. Was geschehen war, war geschehen. Er gab Anweisung, den Fremden und seine Frauen entkommen zu
lassen. Er wollte sie nicht verfolgen, wollte nicht, dass
sie sich für das versenkte Schiff verantworten mussten.
Sollten sie in Frieden ziehen. Er wünschte ihnen alles
Gute, diesem Mann in einem Mantel aus bunten Lederflicken, der Frau, die dünn wie eine Messerklinge war, sowie ihrer gummiballdicken Gefährtin. War die Welt gerecht, würde sich selbst für Menschen, die so schwer wie
jene drei zufriedenzustellen waren, ein geruhsames Eckchen finden lassen. Vespuccis Geschichte war zu Ende.
Nach der letzten Seite war er hinüber auf die leere Seite
gewechselt, hatte die illuminierten Grenzen der bestehenden Welt verlassen und das Reich der Untoten betreten, jener armen Seelen, deren Leben endet, ehe sie zu
atmen aufhören. Der Herrscher am Seeufer wünschte
dem Mogul der Liebe ein sanftes Fortdauern im Jenseits
und einen schmerzlosen Tod; dann wandte er sich ab.
Man Bai hasste die unfertige Natur dessen, was ihr zu
Ohren drang, doch lechzte sie vergebens nach Blut.
«Schick ihnen Männer hinterher, die sie umbringen»,
schrie sie ihren Gatten an, doch der befahl ihr zu schweigen, und zum ersten Mal in seinem bislang so unbedeutenden Leben ließ er erahnen, welch bedeutender Herrscher er einst werden würde. Die Vorfälle der letzten
Tage hatten ihn verstört, und Neues regte sich in ihm,
etwas, das es ihm ermöglichen würde, die rebellische
Jugend hinter sich zu lassen und ein edler, kultivierter
Mensch zu werden. «Die Tage, in denen ich getötet habe,
sind vorbei», sagte er. «Von jetzt an halte ich es für eine
größere Tat, ein Leben zu retten, als eines zu vernichten.
Bitte mich nie wieder, ein derartiges Unrecht zu tun.»
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