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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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der
Herrscher den Gedanken auf, Niccolo Vespucci in den
Rang eines farzand, eines Ehrensohnes, erheben zu wollen. Zutiefst von der Richtigkeit seiner eigenen Version
der Geschichte des Fremdlings überzeugt, war er zu dem
Schluss gekommen, dass der Abkömmling einer derart
unmoralischen Verbindung nicht zum Mitglied der königlichen Familie ernannt werden könne. Trotz Vespuccis offensichtlicher Unschuld in dieser Angelegenheit
und obwohl er sich der wahren Umstände seiner Herkunft selbst nicht bewusst zu sein schien, auch ganz
unabhängig davon, wie groß sein Charme sein mochte
und wie zahlreich seine Talente waren, machte ihn das
eine Wort Inzest zur Unperson. Falls gewünscht, ließ sich
für einen so fähigen Menschen gewiss eine Beschäftigung finden, und der Herrscher erteilte die Anweisung,
eine solche Arbeit ausfindig zu machen und anzubieten,
doch der vertraute Umgang zwischen ihnen musste sofort
eingestellt werden. Wie zur Bestätigung, dass er die richtige Entscheidung gefallt hatte, zeigte sich das Wasser
des Anup Talao wieder in gewohnt beschaulicher Ruhe.
Von Umar dem Ayyaren wurde Niccolo Vespucci mitgeteilt, dass es ihm gestattet sei, in der Hauptstadt zu bleiben, doch müsse er sofort aufhören, sich den Beinamen
«Mogor dell’ Amore» zu geben. Der ungehinderte Zugang zur Person des Herrschers, den er bislang genossen
hatte, sei, das müsse er verstehen, nun auch Teil der Vergangenheit. «Von heute an», informierte ihn der Ayyar,
«wird man Euch wie einen gewöhnlichen Sterblichen
behandeln.»
Die Rachsucht der Prinzen kennt keine Grenzen. Selbst
ein so tiefer Sturz wie der von Vespucci stellte Dame
Man Bai nicht zufrieden. «Wenn sich die Einstellung des
Herrschers derart rasch von Zuneigung in Abweisung
wandelt», argumentierte sie, «kann das Pendel gleich
schnell auch wieder in die Gegenrichtung ausschlagen.»
Solange der Fremdling in der Stadt blieb, war die Thronfolge von Prinz Salim nicht gesichert. Zu ihrem großen
Verdruss aber unternahm Prinz Salim nichts weiter gegen
seinen gestürzten Rivalen, der sich weigerte, jenen bürokratischen Posten anzunehmen, den Akbars Funktionäre
für ihn ausgesucht hatten, um lieber im Hause Skanda bei
Skelett und Matratze zu bleiben und sich ganz dem Vergnügen der Gäste zu widmen. Voller Verachtung sagte
Man Bai: «Skrupellos hast du einen großen Mann wie
Abul Fazl getötet, was also hält dich davon ab, dich um
diesen Zuhälter zu kümmern?» Doch Salim fürchtete das
Missfallen seines Vaters und hielt sich zurück. Bald darauf aber gebar ihm Man Bai einen Sohn, Prinz Khusraw,
und das änderte alles. «Jetzt musst du nicht nur deine
eigene Zukunft, sondern auch die deines Erben sichern»,
sagte Dame Man Bai, und diesmal wusste ihr Salim
nichts entgegenzusetzen.
Dann starb Tansen. Die Musik des Lebens war verstummt.
Der Herrscher brachte den Leichnam des Freundes zurück in dessen Heimatstadt Gwaliot, ließ ihn neben dem
Schrein sei-nes Lehrers bestatten, des faqir Scheich Mohammed Ghaus, und kehrte voller Verzweiflung heim
nach Sikri. Ein strahlendes Licht nach dem anderen war
erloschen. Vielleicht hatte er dem Mogul der Liebe doch
Unrecht getan, sinnierte Akbar auf dem Rückweg, vielleicht war Tansens Tod die entsprechende Strafe. Kein
Mensch konnte schließlich für das Fehlverhalten seiner
Vorfahren verantwortlich gemacht werden. Außerdem
hatte Vespucci seine Loyalität zum Herrscher allein
schon dadurch bewiesen, dass er nicht aus Sikri fortgezogen war. Also konnte er kein bloßer Opportunist sein.
Womöglich wurde es Zeit, ihn zu rehabilitieren, immerhin waren mehr als zwei Jahre vergangen. Als die Karawane des Herrschers Hiran Minar passierte und den Hügel hinauf zum Palastgelände zog, fasste er einen Entschluss und schickte einen Läufer zum Hause Skanda,
um den Fremdling zu bitten, sich doch am nächsten Morgen im Pachisi-Hof einzufinden.
Dame Man Bai verfügte in jedem Stadtviertel über ein
Netz von Informanten, um für ebendiesen Moment gerüstet zu sein, und kaum eine Stunde nach Ankunft des Läufers im Hause Skanda war die Frau des Kronprinzen darüber informiert, dass der Wind sich gedreht hatte. Gleich
ging sie zu ihrem Mann und schalt ihn, wie eine Mutter
ein störrisches Kind ausschimpft. «Heute Abend», sagte
sie, «kannst du beweisen, was du für ein Mann bist.»
Die Rachsucht der Prinzen kennt keine Grenzen.
Um Mitternacht saß der Herrscher still oben auf der Terrasse des Panch
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