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Runlandsaga - Sturm der Serephin

Runlandsaga - Sturm der Serephin

Titel: Runlandsaga - Sturm der Serephin
Autoren: Robin Gates
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Gedanke, dass die Rückverwandlung erst kurz vor ihrem Erwachen erfolgt sein musste. Wenn sie schon die ganze Nacht über nackt auf dem Boden gelegen hätte, wäre sie bestimmt durch die Kälte schon viel früher aufgewacht. Offensichtlich war sie in ihre menschliche Gestalt zurückgekehrt, während sie noch besinnungslos gewesen war. Was war es gewesen, das sie das Bewusstsein hatte verlieren lassen?
    Sie versuchte, sich im Laufen an die vorige Nacht zu erinnern, doch es wollte ihr nicht gelingen. Jedes Mal, wenn ihre Gedanken den Moment erreichten, an dem die Verwandlung in die Wölfin eingesetzt hatte, senkte sich eine dicke, graue Wolke über ihren Geist, die alle Bilder verhüllte.
    Schließlich erreichte sie die Ruine und an ihrer linken Flanke die Stelle, an der die Außenmauer mit den hoch aufragenden Klippen aus verwittertem Kalkstein abschloss. Dicht am Boden hatte die Gewalt der Zeit oder die menschlicher Hände einige Steine aus der Mauer herausgebrochen, wodurch in ihr ein breites Loch entstanden war. Darin lagen ein dunkelrotes, dickes Wollkleid und darauf ein Paar Stiefel aus gegerbtem Leder, sauber und trocken.
    Neria schlüpfte in die Stiefel und zog sich, immer noch vor Kälte zitternd, das Kleid an. Der raue Wollstoff verfing sich an ihrer Schulterwunde, sodass sie laut aufstöhnte.
    In diesem Augenblick zerstreute sich die graue Wolke, die vor ihrer Erinnerung hing, als hätte der heftige Schmerz sie vertrieben.
    Jemand hatte einen Pfeil auf sie abgeschossen – ein Fallensteller! Ein Fremder hatte sich der Siedlung genähert, so dicht, wie schon lange niemand mehr zuvor! Talháras hatte zu ihr gesprochen und sie an ihren Eid erinnert. Sie hatte den Zweibeiner gestellt und angegriffen, ohne zu zögern, wie es von einer Jägerin der Voron verlangt wurde. Ein tiefes, befriedigtes Gefühl von Stolz überkam sie, als sie sich dunkel an den Geschmack des Blutes in ihrem Rachen erinnerte. Die Erlebnisse als Voron blieben für den menschlichen Verstand oft nur schemenhaft wie wirre Traumfetzen, aber die Erinnerungen an das Töten einer Beute gehörten immer zu den deutlichsten Eindrücken.
    Vorsichtig betastete sie die schmerzende Schulter. Die Wunde schien nun, da sie wieder menschliche Gestalt angenommen hatte, nicht mehr so tief zu sein wie in der Nacht zuvor, als der Pfeil des Jägers sich in ihren Wolfskörper gebohrt hatte. Vielleicht musste sie dennoch genäht werden. Ihre Mutter würde sich die Verletzung ansehen müssen. Tanati war gut in solchen Dingen, besser, als sie selbst es je sein würde.
    Doch schon im nächsten Moment wich das erregende Gefühl des Sieges über einen Gegner einer Empfindung, die Neria selbst jetzt, im hellen Tageslicht, taumeln ließ, sodass sie sich hastig mit einer Hand an der Mauer abstützen musste, um nicht zu Boden zu sinken und erneut das Bewusstsein zu verlieren.
    Talháras hatte sie zu sich in die Alte Stadt gerufen und ihr von einer Bedrohung erzählt. Er hatte ihr Bilder gezeigt, entsetzliche Bilder, so grauenhaft, dass sie es nicht ausgehalten, sondern versucht hatte, davor zu fliehen, fort von der Höhle des Wächters und hinein in den Wald, der für sie niemals in ihrem Leben etwas Bedrohliches oder Finsteres dargestellt hatte, sondern immer die höchste Form von Geborgenheit und Schutz.
    Aber in dieser Nacht hatte nicht einmal der Wald ihr helfen können.
    Sie biss ihre Zähne zusammen und sah sich anklagend um, als würde der Weiße Wolf sie beobachten und jeden Augenblick hinter einem Baum hervortreten, um sich ihrem Zorn zu stellen.
    Talháras! Verflucht, warum hatte er so sehr darauf bestanden, ihr diese furchtbaren Dinge zu zeigen? Was wollte er von ihr? Er hatte davon gesprochen, dass sie den Stamm beschützen müsste – ausgerechnet sie! Es gab Jäger, die bei weitem stärker und erfahrener waren. Weshalb wollte er unbedingt sie? War der Urahne aus irgendeinem Grund wütend auf sie? War dies vielleicht seine Art, sie zu bestrafen?
    Neria fuhr sich schwer atmend durch die schwarzen Haare, die ihr wieder ins Gesicht gefallen waren, und strich sie mit einer heftigen Bewegung zurück. Dann begann sie, an der Mauer entlang in Richtung der Siedlung zu gehen, während ihre Gedanken weiter durch ihren Geist trieben wie Blätter in einem Sturm.
    Nein, Talháras hatte sich angehört, als wäre es ihm todernst. Er wollte sie für eine Aufgabe. Er hatte tatsächlich verlangt, sie sollte den Wald verlassen, um den Stamm vor einem großen Unheil zu beschützen.
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