Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert
Autoren: Low Robert
Vom Netzwerk:
würden mit denen, die hier im Feuerschein blitzten, sofort festgenommen werden. Wir durften nur eine befristete Zeit in der Großen Stadt bleiben, und wenn wir nicht rechtzeitig ein Schiff fanden und von allein abreisten, würde man uns bald zusammentreiben, ausweisen und über die Grenze bringen.
    Das alles brach in einem großen, frustrierten Schwall aus Finn heraus, er hatte den Kopf zurückgeworfen und die Sehnen an seinem Hals traten hervor wie Wanten. Seine Verzweiflung hallte von den Mauern wider und wurde von den Hunden draußen heulend aufgenommen. Doch auch er wusste, es würde nichts nützen, zu Choniates’ Hov aus Marmor zu gehen, die Tür einzutreten und ihn an den Füßen aufzuhängen, bis er das Runenschwert zurückgab. Es wäre für uns alle das Ende.
    » Choniates ist ein ehrbarer Kaufmann«, sagte Radoslaw leise und vorsichtig inmitten der allgemeinen Unmutsäußerungen. » Seid ihr sicher, dass er es war? Was ist diese Runenschlange überhaupt?«
    Alle sahen ihn unwillig an. Auch ich ging davon aus, dass Choniates das Schwert hatte. Architos Choniates hatte die Waffe vor einigen Wochen gesehen, und seitdem hatte ich mit so etwas gerechnet – und war schließlich doch so sorglos geworden, dass ich es verloren hatte.
    Als wir damals völlig erschöpft auf der Kaimauer der Großen Stadt abgesetzt wurden, hatte man uns versichert, man würde uns in Ruhe lassen, solange wir keine Kosten verursachten. Ich hatte noch einen halben Stiefel voll Münzen und kleinerer Wertgegenstände gehabt, der Rest meiner Beute aus Attilas Grab, aber natürlich wurden sie hier nicht als Währung akzeptiert; also musste ich sie zum Silberwert verkaufen – und immer wieder wurde dabei der Name Architos Choniates genannt.
    Es hatte zwei Tage gedauert, bis ein Treffen in die Wege geleitet worden war, denn Choniates war kein Mann, bei dem ein zerlumpter Junge wie ich einfach an die Tür klopfte. Er hatte keinen Laden, war aber ein bekannter linaropulus, wie sie hier die Tuchhändler nannten, was eine hübsche Untertreibung war, als würde man Thor als jemanden beschreiben, der gelegentlich zu seinem Vergnügen Hammerwerfen übt.
    Choniates handelte mit allem, aber vor allem mit Stoffen, wobei Seide seine große Spezialität war, und es war allgemein bekannt, dass es ihm absolut nicht passte, dass ausgerechnet die Christus-Anhänger das Monopol für die Seidenherstellung besaßen. Bruder Johannes hatte einen tapetas, einen Teppichhändler, ausfindig gemacht, dessen Freund Choniates’ obersten spadone kannte, und zwei Tage später tauchte dieser im Delphin auf.
    Genauer gesagt, er tauchte davor auf, denn ein solches Haus hätte er nie betreten, trotz des Regens. Er saß in einer gemieteten Sänfte, umgeben von bezahlten Wächtern der Zunft des Blauen Rennstalls, die als Erkennungszeichen dessen blaue Halstücher trugen. Es waren harte, finster blickende Kerle, die alle nach der neuesten Mode der Großen Stadt gekleidet waren: die Tuniken in der Hüfte so eng wie möglich gegürtet und an den Schultern gepolstert, um möglichst breitschultrig zu erscheinen. Sie trugen bestickte Hosen und Stiefel, und ihr Haar war vorn ganz kurz geschnitten, am Hinterkopf aber lang und in wilden Zotteln.
    Sie sollten aussehen wie ein Steppenvolk, das in die Stadt gekommen war, aber als einer von ihnen in den Delphin kam und nach Orm dem Händler fragte, brach er unter dem spöttischen Gejohle der Männer, die tatsächlich in der Steppe gekämpft hatten, vor Beschämung beinahe in Tränen aus.
    Wir alle waren dann vor die Tür getreten, denn die anderen waren neugierig, wie ein spadone aussieht, ein Mann ohne Eier. Sie waren enttäuscht, denn er sah genauso aus wie wir, nur sauberer und gepflegter. Er war in einen warmen Umhang gehüllt, den er bis über den Kopf gezogen hatte, sodass er aussah wie eine alte römische Statue. Huldvoll neigte er den Kopf in Richtung der gaffenden Männer.
    » Ich bringe euch Grüße von Architos Choniates«, sagte er auf Griechisch. » Mein Name ist Niketas. Mein Herr lässt euch sagen, dass er euch morgen empfangen kann. Man wird euch abholen und zu ihm bringen.«
    Er schwieg und sah uns an. Ich hatte seine Worte ganz gut verstanden, Bruder Johannes ebenfalls, doch die anderen konnten gerade genug Griechisch, um sich ihren nächsten Becher Wein zu bestellen, also beschränkten sie sich darauf, ihn anzustarren. Finn Rosskopf wäre fast vornübergekippt bei dem Versuch, einen Blick in die Sänfte zu werfen, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher