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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft
Autoren: Ange Guéro
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Strafen zu fürchten hatten. Die unterschiedlichen Länder wussten, wie wichtig das Kommen und Gehen der Händler war.
    Aber auf der Straße gab es Grenzen, die man überqueren musste, Sperren und Patrouillen. Und die Soldaten des
Emirs würden - wenn er sie denn losschickte - nur der Straße folgen müssen, um die Flüchtigen zu finden.
    Sie überquerten die Landstraße schnell und beeilten sich, die ersten Hügel zu erreichen. Die Blauen Berge waren im Südosten schwach als Linie zu erkennen, die sich im Nebel verlor. Weit näher, nur einige Wegstunden entfernt, bedeckten Wälder die ersten Anhöhen.
    Heide, Pflanzen, Steine, Täler. Kein Lebenszeichen, keine Bewegung bis auf schwankende Zweige, die dann und wann in der Brise zitterten.
    Die Frage nach der Nahrung stellte sich weniger als zwei Stunden später, als sie die Flanke eines weiteren Hügels erklommen. Die beiden Frauen gingen voran; Arekh und der Junge folgten ihnen. Trotz des leichten Windes und der Sonne, die jetzt zwischen fingergleich langgestreckten Wolkenfetzen hindurchdrang, waren die Kleider Marikanis und der Frau in Grau immer noch nicht trocken.
    Der Jugendliche stolperte schon das dritte Mal an diesem Abhang.
    »Ich habe Hunger«, erklärte er an Arekh gewandt.
    Als sei er derjenige, den man ansprechen musste. Als sei er, ganz selbstverständlich, zum Anführer der kleinen Gruppe geworden.
    Warum? Weil er einem Mitsträfling die Klinge in den Leib gerammt hatte?
    Die beiden Frauen blieben stehen, und Marikani stieg die wenigen Fuß Erde, die sie voneinander trennten, wieder hinab. Arekh fand, dass ihre Züge angespannt wirkten, so als sei sie sich in den wenigen Stunden, die vergangen waren, stärker der Gefahr bewusst geworden, in der sie schwebte. Vielleicht wirkte sich aber auch nur die Erschöpfung aus?

    »Ich habe Geld«, sagte sie zu Arekh. »Aber …«
    Mit einer vagen Gebärde deutete sie auf die umliegende Landschaft. Stechginster und Dornenranken bedeckten die Hänge. Immer noch keine Spur von Leben.
    Arekh schüttelte den Kopf. »Verlasst Euch nicht darauf! Die Gegend ist alles andere als verlassen. In den Hügeln gibt es Schäfer - und etwas weiter entfernt auch Steinbrüche, in der Richtung da drüben.«
    »Dörfer?«
    »Sicher, auch die.«
    Marikani schob die Hand unter ihr Hemd und zog eine kleine Börse hervor, deren Inhalt sie auf ihre Handfläche schüttete. Es waren einige Gold- und Silberstücke darunter, die das Gesicht des Emirs oder das fünffältige Blatt der Fürstentümer von Reynes zeigten, daneben aber auch drei kostbare Perlen und ein violetter, hübsch geschliffener Stein. Dann noch ein Smaragd oder ein Astell, ein Stein aus der gleichen Familie, doch mit Silbereinschlüssen, die den Wert verzehnfachten.
    Das änderte nichts an ihrem gegenwärtigen Problem. Arekh bedeutete ihr, die Steine wieder einzustecken.
    »Lasst uns erst einmal nach einem Unterschlupf suchen. Der Himmel zieht sich zu, es wird kalt werden. Und Eure Zofe muss sich ausruhen.«
    Bei dem Wort Zofe warf die Frau im grauen Kleid Arekh einen Blick zu, der hätte töten können, und ging dann zu Marikani hinüber. Die beiden wechselten mit gesenkter Stimme einige Worte.
    Arekh ging weiter; er wollte den beiden nicht den Gefallen tun, sie zu belauschen. Außerdem musste er nicht erst hinhören, um zu wissen, was sie sagten. Die Frau im grauen Kleid würde ihre Herrin dafür schelten, enthüllt zu haben, was sie bei sich trug. Wie könnt Ihr nur Galeerensträflingen
den Inhalt Eures Geldbeutels zeigen? Das sind Mörder, Herrin, habt Ihr den Verstand verloren?
    Der Jugendliche holte Arekh ein und sah sich mehrfach um. Zumindest einer von ihnen hatte das Spektakel nicht verpasst. Hatte die Hofdame recht? Hätte der Anblick einiger Geldstücke und Edelsteine Arekh dazu bringen können, ihnen die Kehle durchzuschneiden?
    Das kommt auf so einiges an , dachte er mit einer gewissen Ironie. Auf die Umstände, auf das Risiko. Auf meine Bedürfnisse.
    Weniger als eine Stunde später stießen sie auf eine Scheune. Der Anblick war zugleich willkommen und beunruhigend. Willkommen, weil sie ein Dach über dem Kopf brauchten, beunruhigend, weil er bestätigte, was Arekh schon vermutet hatte. Die Gegend war alles andere als verlassen.
    Das Innere des Gebäudes war dunkel; die Luft roch nach verfaultem Heu und trockener Erde. Vielleicht war die Scheune verlassen, wenigstens bis zum nächsten Jahr …
    Die Hofdame ließ sich ins Heu fallen und massierte sich die
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