Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft
Autoren: Ange Guéro
Vom Netzwerk:
Galeerensträfling, den das braunhaarige Mädchen gerettet hatte, war bereits ins Boot gestiegen; seine zerlumpten Kleider standen in völligem Gegensatz zu dem eleganten Gewand der Frau in Grau.
    Ein weiterer Kopf schoss aus dem Wasser - ein dritter Gefangener, Arekhs anderer Banknachbar, seinerseits befreit.
    Sie ist ertrunken , dachte Arekh mit seltsamer Beklommenheit im Herzen. Doch dann tauchte die Unbekannte mit den braunen Haaren endlich auf, bleich wie der Tod, den Dolch immer noch in der Hand.
    »Kommt an Bord!«, schrie die Frau im Boot und versuchte, sie am Arm zu packen.
    »Da … da sind noch mehr«, stammelte das Mädchen.
    Sie war nicht in der Verfassung, noch einmal zu tauchen. Bevor sie reagieren konnte, entriss Arekh ihr den Dolch, holte tief Luft und ließ sich hinabsinken.
    Zu spät , dachte er, während er Schwimmzug an Schwimmzug reihte. Die Galeere war mittlerweile in der Tiefe kaum noch sichtbar. Wie lange konnte man durchhalten, ohne zu atmen? Und selbst, wenn er noch einen Gefangenen befreite - denn mehr als einer würde es nicht sein -, würde der es überhaupt schaffen, die Oberfläche zu erreichen?
    Dann war keine Zeit mehr, sich Fragen zu stellen: Da war das Schiff, trieb geisterhaft zwischen zwei Strömungen. Es waren nur noch zwei Gefangene auf der Bank der Neuzugänge, der einzigen, auf der die Gefangenen nur mit Stricken gefesselt waren. Die anderen weiter hinten waren angekettet, und die Schlüssel waren mit dem Aufseher irgendwo im See verschwunden.
    Arekhs Lunge brannte, als er sich auf die Fesseln des ersten
Neuzugangs stürzte. Der Gefangene war sehr jung - ein Junge, der noch lebte … vielleicht nicht mehr lange. Arekh erhaschte einen kurzen Blick auf ein blasses Gesicht, helles Haar, das in der Strömung trieb, eingefallene Augen, die ihn anstarrten.
    Die Fesseln gaben nach, und mit überraschender Kraft stieß sich der Junge nach oben ab. Sein Nachbar zappelte. Arekh wandte sich ihm zu und sah nur noch, wie er mit weit aufgerissenen Augen erstarrte; die Hände des Mannes zuckten, als sich seine Lunge mit Wasser füllte. Sein Todeskampf dauerte unendliche Sekunden, während derer Arekh sich nicht rührte. Er trieb zwischen zwei Strömungen, den Blick auf die gespenstischen Gesichter der Sträflinge in den hinteren Reihen gerichtet, die sich wanden, die Hände nach ihm ausstreckten und den Mund aufrissen, als wollten sie schreien. Ein schwarzer Schleier legte sich über seine Augen, und er fragte sich, ob er nicht doch hier sterben würde, mitgerissen von den Galeerensträflingen mit den toten Augen, die sich in seinem umwölkten Geist in grünliche Gespenster mit klebrigen Algenhänden verwandelten …
    Als Arekh aufs Neue die Oberfläche des Sees durchbrach, war er erschöpft; alle seine Gliedmaßen schmerzten und waren steif. Das Blut pochte ihm in den Schläfen. Der Kopf tat ihm fürchterlich weh.
    Er brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass die Schreie, die er hörte, echt waren und keiner Wahnvorstellung seines verwirrten Hirns entsprangen.
    Auf dem Boot wurde gekämpft.
    Mit zitternder Hand hielt sich Arekh an der Reling fest und zog sich an Bord. Er sah wieder klarer. Wider Erwarten war es dem Jungen, den er losgeschnitten hatte, gelungen, die Oberfläche zu erreichen. Die anderen hatten ihm
wohl an Bord geholfen, denn er war auf dem Boden des Boots zusammengesackt und atmete mühsam. Ringsum herrschte Chaos. Das braunhaarige Mädchen hatte das Handgelenk des ersten befreiten Galeerensträflings gepackt, um ihn davon abzuhalten, die andere Frau - die im grauen Kleid - zu schlagen und die Ruder an sich zu reißen. Arekh erinnerte sich erst in dem Moment an den Namen des ersten Gefangenen - Kâl -, als dieser sich mit einem befriedigten Lächeln nach ihm umdrehte.
    »Na, sieh da, das klärt die Frage«, sagte er, indem er auf Arekh deutete. »Hier ist nicht genug Platz für alle. Ab ins Wasser, Mädels!«
    Er verdrehte der Frau das Handgelenk und hätte sie wohl in den See geworfen, wenn das braunhaarige Mädchen nicht dazwischengegangen wäre und ihm den Ellbogen gegen die Nase gerammt hätte. Kâl schrie vor Schmerz und wandte sich zornig der jungen Frau zu. Er hob gerade die Hand, um sie zu schlagen, als Arekh ihm den Dolch in den Solarplexus rammte.
    Er riss die Klinge mit einer knappen Bewegung wieder heraus und bespritzte so alle an Bord des Bootes mit Blut. Kâl spie einen Strom von Galle aus, ruderte in nutzloser Anstrengung mit den Händen. Arekh
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher