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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft
Autoren: Ange Guéro
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verdrehte ihm die Schulter und warf ihn ins Wasser. Blut wallte im See auf; dann verschwand der noch immer zuckende Körper in den Fluten.
    Arekh nahm die Ruder an sich, bevor er sich den beiden Frauen zuwandte. »Wohin wollt Ihr?«
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Das braunhaarige Mädchen musterte Arekh mit ebenso erschöpftem wie neugierigem Blick. Die Augen der Frau in Grau huschten von Arekh zu den beiden anderen Sträflingen. Der Jugendliche lag noch immer ausgestreckt auf dem Boden
des Boots. Der andere behielt das Wasser im Auge, als hätte die Gefahr bestanden, dass Kâl wieder auftauchte.
    Arekh begann zu rudern; das riss die Braunhaarige aus ihrer Erstarrung.
    »An den Strand dort hinten«, sagte sie. »Rasch! Je schneller wir uns in den Wäldern verstecken können, desto besser.«
    Arekh ruderte weiter.
    Im Westen, irgendwo jenseits der Felsen, erklang noch immer gedämpfter Schlachtenlärm. Der Wind hatte Emir Abilez’ Flotte auf den Hafen von Rez zugetrieben. Dort würden seine Gegner, die beiden kiranyischen Schiffe, der Überzahl nicht länger standhalten können. Die kiranyische Galeere war kein Kriegsschiff gewesen, aber im Augenblick des Angriffs hatten sich zwei Offiziere an Bord befunden.
    Arekh musterte die beiden Fremden. Er hatte auf dem Schiff keine Frauen gesehen. Sie mussten während eines Zwischenhalts an Bord gegangen und dann bei den Offizieren am Bug geblieben sein.
    Die Ruder riefen ein regelmäßiges Geräusch hervor, und die fünf Insassen des Bootes schwiegen. Die Sonne brannte auf Arekhs Rücken, versuchte, sein Hemd zu trocknen.
    Aufs Neue ein Gefühl der Unwirklichkeit. Es war nicht unangenehm, hier zu sein, sich dem Ufer zu nähern. Einen Blick darauf zu werfen, ohne schon dort zu sein, während eine Brise die Gesichter liebkoste. Am Ufer würden sie Entscheidungen fällen müssen. An die kiranyischen Soldaten denken müssen, die nach ihnen suchen würden, an die Truppen des Emirs, die die Umgebung durchkämmen würden, um Überlebende zu finden.
    Aber für den Augenblick konnte Arekh einfach rudern. Die Sonne auf den Kleidern des braunhaarigen Mädchens betrachten.

    Ja, die beiden Frauen mussten sich am Bug aufgehalten haben. Arekh konnte sich vorstellen, wie sie dort umherspaziert waren und sich mit dem Kapitän unterhalten hatten - dieser war sicher gleich zu Beginn des Angriffs getötet worden. Ohne Zweifel hatten die Frauen den ein oder anderen Blick auf die Gefangenen auf den Ruderbänken drei Meter unter ihnen geworfen.
    Ihrer Kleidung nach waren sie Bürgerliche aus den Fürstentümern von Reynes.
    Sie hatten sicher für die Überfahrt bezahlt. Die Galeere war nicht dazu geschaffen, Passagiere aufzunehmen, und …
    Nein. Bürgerfrauen aus den Fürstentümern von Reynes sprachen nicht mit solch einem Akzent. Das Mädchen hatte kaum mehr als einen Satz gesagt, aber die Art, wie es die Vokale betonte, verriet eine Herkunft aus dem Süden. Außerdem reisten Frauen aus Reynes selten ohne männliche Begleitung.
    Halt , flüsterte ihm eine innere Stimme zu. Halt! Du wirst alles verderben. Lass dir von der Sonne das Hemd trocknen und warte, bis ihr am Ufer seid.
    Aber schon musterte er sie, analysierte, setzte die Einzelteile zusammen. Reflexartig. Berufsbedingt , dachte er, und sein Herz krampfte sich seltsam zusammen.
    Zwei Frauen aus dem Süden, verkleidet mit Gewändern aus dem westlichen Reynes. Die Überfahrt auf einer Galeere. Der Angriff des Emirs Ans Abilez.
    Harabec .
    Arekh hatte die Gerüchte gehört. Die Geschichte wurde von Hafen zu Hafen weitergetragen: Die Soldaten, die ihn festgenommen hatten, hatten sogar im Wirtshaus davon gesprochen, als sie am Nebentisch getrunken hatten.
    Und das Mädchen hatte die gleiche Kinnform wie sie . Arekh erinnerte sich an die Statue in der großen Galerie
des Hohen Rates von Reynes. Die Statue, die den ersten König der Dynastie darstellte …
    Harabec …
    Das Gefühl der Unwirklichkeit war verschwunden, ganz wie die Sonne und dieser trügerische Eindruck, sich außerhalb der Zeit zu bewegen. Marikani aya Arrethas, Erbin der Dynastie der Magierkönige von Harabec, war auf dem Rückweg von einem diplomatischen Besuch beim König von Sleys gewesen, als ihr Gefolge von den Truppen des Emirs angegriffen worden war. Sie hatten Marikani gewollt, die aber den Gerüchten nach mit einer Hofdame geflohen war. Es hieß, dass sie nun versuchte, heimlich in ihr Land zurückzukehren.
    Das Boot schrammte über erste Steine, und der andere
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