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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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Tee mit einem winzigen Schüsselchen Honig. Ich habe mir oft vorgestellt, wie sie jetzt alle allein in ihren Zimmern sitzen, die ganz Wichtigen, die Banker und Industriellen, die Karrieredamen und Gastgeberinnen, die Mächtigen und Reichen, die Stars und Entscheidungsträger, die Altersflüchtlinge und Attraktivitätssüchtigen – alle, alle sitzen da und lecken ein Honigschüsselchen leer. Für die Seele, doch. Es sei nicht verschwiegen, daß die Erkenntnisschübe und tapferen Vorsätze nach der Rückkehr in die Alltage ziemlich schnell verwehen – das ist nun mal so. Deswegen wissen kundige Faster, daß sie wiederkommen werden.
    Vom Kardamom die Kapsel macht
    Einen Atem wie aus Tausendundeinenacht,
    So anmutsvoll und süß und fromm
    Riecht man mit etwas Kardamom.

Ein ernstes Getränk: Champagner
    Im Stadttheater Regensburg gab es in den theaterseligen Zeiten nach dem Krieg einen Regisseur, der mit zwei Regieanweisungen auskam: einer für Tragödien und einer für Komödien und Operetten. Die für Tragödien lautete: Jetzt müßt amal wieder a Schroa (ein Schrei) kommen, und die für den ersehnten heiteren Rest der Kunst ging so: Leuteln, stoßts die Glaseln z'samm! Und trotz der schlechten Zeiten wäre keiner auf die Idee gekommen, in den Glaseln etwas anderes als Champagner zu vermuten.
    Champagner ist ein poetisches Getränk. In der Phantasie, im Herzen und in den Träumen heißt alles, was in besonderen Situationen und spitzen Gläsern erscheint, Champagner, auch wenn es Sekt oder Zitronenlimo ist. Nein, wir wollen jetzt nicht auf den Leim der Puristen und Experten gehen, davon gibt es ja in unseren komfortablen, aber lamentierenden Zeiten immer mehr. Wir wollen nicht all die wunderbaren und traditionsgeschwellten – oder traditionssprudelnden – Marken und Legenden miteinander vergleichen, dafür haben wir Gourmetblätter und jene Herren an den Hotelbars der Welt, die uns mit Empfehlungen, ja geradezu Geboten und den entsprechenden Verboten langweilen, von »kann man nicht anrühren« bis »wenn es den nicht gibt, lieber Bier«. Wir erinnern uns an einen Filmbericht aus Ascot, während einer heftigen britischen Wirtschaftskrise, und an einen mageren Herrn, der einen mausefellfarbenen Zylinder trug und sagte: Crisis? You mean a champagne crisis? Davon also wollen wir gar nicht reden, sondern davon, was er eigentlich in
sich trägt, der Champagner, der natürlich nicht sprudelt, sondern fein perlt, und dessen bleiches Gold (Blaßgelb? Durchsichtiges Elfenbein? Diamantgelb?) – die Farbbezeichnungen hängen vom Grad der Verliebtheit ab – immer an Wendepunkten des Lebens auftaucht.
    Champagner ist ein ernstes Getränk. Man muß ihn sich verdienen, getauft werden (da sieht ihn der Erdenbürger zum erstenmal, und vielleicht steigt ihm der Duft in die kleine, unschuldige Nase) – oder Abitur machen, den Führerschein, den es im Fall des wohlverdienten Champagnergenusses dann fürs erste liegenzulassen gilt. Gesellenprüfungen und Silberhochzeiten, gewonnene Prozesse, glückliche Scheidungen, er ist für die Wechselfälle des Lebens Begleiter, Ermunterer und Tröster. Und natürlich: die erste gemeinsame Nacht.
    Champagner markiert des Lebens Zäsuren, zunächst einmal scheint er auf die heiteren abonniert, aber wir sagten es: In Wahrheit ist er ein ernstes, respekteinflößendes Getränk. Wer ihn um sich schüttet und Schampus nennt, horribile dictu, ist seiner nicht wert. Ausgenommen von diesem Verdikt sind natürlich Sportler, sie tragen einen Kranz um den Hals und schütteln eine Flasche, die man nicht erkennt, und dann duschen sie mit dem Inhalt – was immer der sein mag. Auch da ist der Champagner eine behauptete Flüssigkeit, und es spricht Bände, daß diese Flaschen eine Werbetabuzone sind. Andererseits: Was kann so ungebärdig sein wie schlecht behandelter Champagner? Und es gibt Momente, da muß es knallen und an die Decke spritzen, und zwar mit echtem, sonst bringt es kein Glück.
    Champagner ist eine Medizin. Meine Großmutter trank jeden Morgen ihr Gläschen, der Kreislauf, man kennt das, und einmal sagte sie, was haben die bloß gemacht, bevor der
Kreislauf erfunden war? Man ließ sie bei ihrer medizinischen Anwendung nicht allein, ihre Freundinnen kamen nach dem Einkaufen auf einen Sprung und bedurften
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