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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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neidisch auf das poesieverfassende Reh.
    Buffets sind so vulgär! sagte es seufzend.
    Natürlich gab es auch die Mütterlichen, die ganze Tische versorgten. Zu denen gehörte ich nicht. Sollte doch jeder sehen, wie er zu seinem Futter kam!
    Es gab die Störer, die sich Oeufs Mousseline oder Roastbeef direkt vom Buffet unter Umgehung eines Tellers in den Mund steckten und dabei plapperten, so daß ein Stau entstand. Es gab Strategen und Chaoten, die einen kamen von der Mitte her, weil vorn nur uninteressante Magenfüller aufgebaut waren, die anderen fingen mit dem Dessert an. Es gab die Zimperlichen, die nicht müde wurden, über Verschwendung und die unbekömmlich späte Stunde zu lamentieren, es gab die Vergleicher, die ungefragt aufzählten, wo überall sie echten Kaviar bekommen hätten – nur eben hier nicht, schauen Sie mal, Kartoffelsalat! Das geht doch gar nicht! Natürlich waren auch an den Buffets die Diäthäsinnen unterwegs mit ihren Grünzeugtellern und verdarben einem die Laune, indem sie unser Erbeutetes inspizierten: Was, das vertragen Sie alles?
    Irgendwann kam eine stille Revolution. Aufgefallen ist mir das eines Abends in den frühen Neunzigern, in München. Wieder ging es um eine Buchvorstellung, und mein Freund Peter, der leider nicht mehr lebt, schaute sich, nachdem die Reden überstanden waren, mißtrauisch um:
    Wo ist denn was zum Essen? fragte er.
    Da war nichts. Die vertrauten Aufbauten, das Mittelstück – nichts da. Auch kein Vorhang, hinter dem sich was Schönes hätte verbergen können. Man hielt sich an den weiß gedeckten Stehtischlein fest und schaute unauffällig um sich. Es nahten Mädchen mit Tabletts, auf denen sehr kleine Nahrungsmittel in sehr kleinen Gefäßen arrangiert waren, man konnte
gar nicht richtig erkennen, was es war. Peter hielt eins der Mädchen am Arm fest und nahm ihr freundlich, aber bestimmt das Tablett ab.
    Des könnens gleich dalassen! sagte er.
    Wir verbrachten den Abend, indem wir fingernagelgroße Bratwürstel aßen, die mit einem Sauerkrautfaden und einem Senfatom garniert waren. Die Mädchen mit den Platten machten einen Bogen um unseren Tisch. Peter verfügte, daß wir ins Franziskaner gehen würden, um den Abend mit erwachsenen Bratwürsten zu beenden.
    Ja, das war der Anfang einer eigentlich rührenden und beruhigenden Entwicklung. Da war nichts Kämpferisches oder Strategisches mehr zu sehen, die gesellschaftliche Elite begab sich zurück in die Kindheit, in die Puppenküchen, ins Märchen. Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Der Anblick mächtiger und für ihre Arroganz berühmter Banker oder Industriellenwitwen, die aus Schnapsgläslein ein Suppenpfützchen saugen oder kirschgroße Frikadellen von Puppentellern essen, hat etwas Bewegendes. Kulinarische Miniaturengestalter hatten und haben Hochkonjunktur, auch die Geschirr- und Besteckindustrie läßt sich eine Menge einfallen, Schüsselchen und Näpflein in allen Formen, nur winzig müssen sie sein, für die mit Taboulé gefüllte Minitomate und das Kräuterschäumchen. Wachtelspiegeleier auf einem Teelöffelchen Spinat. Babylammspießchen. Es wird einem ganz anders bei diesem Ansturm von Diminutiven. Am irrwitzigsten sind die Löffel mit dem geringelten Stiel, von denen Vorstandsvorsitzende und Headhunter mit gespitzten Mündchen eine Miniaturgarnele in Blätterteig an Sauerampferjus naschen. Ein Löffelchen für Mami, ein Löffelchen für Papi und ein Löffelchen für die Deutsche Bank.
    Beim Buffet alten Stils war man irgendwann satt. Vom sogenannten Fingerfood wird man es nie, obwohl man sich wundern würde, welche Kalorienmengen man mit diesem Liliputaneressen zu sich nimmt. Warum es wohl Fingerfood heißt? Wahrscheinlich, weil keine Portion größer als ein sehr kleiner kleiner Finger sein darf. Denn mit den Fingern essen kann man vieles davon gar nicht unfallfrei, zum Beispiel die auf Pralinengröße geschnittenen sehr beliebten Quiches. Oder all die Schäume.
    Aber friedfertig und gelassen macht das Puppenessen, denn man hat den ganzen Abend über die Hoffnung, das Beste werde noch kommen.
    Manchmal ist das eine in der Nähe des Veranstaltungsorts gelegene Currywurstbude.
    Die Augen Zimt,
    Die Haut wie Zimt,
    Ihr Duft: nach Zimt!
    Die Frau war ihm vorherbestimmt.

Ein Wein voller Weine
    Der verlangt einiges, so
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