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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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wie er da steht, das sieht man gleich. Wie lang ist es her, daß ich mir sowas habe gefallen lassen? Egal. Ich bin jedenfalls in den Keller gegangen und habe die Karaffe mit dem dicken Bauch gesucht und diese blöden Gläser, die nicht in die Spülmaschine passen. Man hat ja alles. Man braucht es bloß nicht. Schon fängt die Sache an, nach Auserwähltheit zu riechen, nach Zelebrierung, nach Sekte. Sachte sträubt sich mein Fell.
    Er hört auf den Namen Mazy – Chambertin Grand Cru und kommt aus dem Burgund, von der Domaine Armand Rousseau. Geboren ist er 1993, das war das Jahr, in dem ich mit dem Weißweintrinken aufgehört habe. Weißwein war das Getränk meiner Mutter, wir tranken zusammen Weißwein bis zu ihrem plötzlichen Tod im Dezember 92, wir mochten die gleichen Weine. Ohne sie schmeckte er mir nicht mehr. Mir wurde schlecht davon, und nervös war ich sowieso. Plötzlich verstand ich das böse kleine Verslein der österreichischen Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi – Für mich keine Liebe / Für mich keinen Wein / Die eine macht übel / Der andere macht spei'n.
    Indessen habe ich den Burgunder aus der Flasche mit dem altmodischen Etikett langsam in die Karaffe laufen lassen. Am Flaschenboden bleibt dunkler Satz zurück. Ich halte die Karaffe gegen das Licht. Sonderbare Farbe. Wie Herbstblätter. Er ist nicht hell und klar , wie seine jüngeren Nachfolger im Internet beschrieben werden. Er riecht auch nicht nach Johannisbeeren. Wie er riecht, weiß ich noch nicht genau. Wein
beschreibungen sind, Geschmack und Geruch begreiflich machen wollend, meistens sehr komisch.
    In einem Hofladen irgendwo in der Nähe von Neustadt in der Pfalz habe ich damals ein paar Flaschen simplen Biorotwein gekauft, denn wenn man schon elternlos ist, will man nicht auf Dauer auch noch weinlos bleiben, zumal, wenn man aus einer Winzersippe stammt. Und der harmlose Dornfelder erwies sich als Segen, ein wärmendes Deckchen, das sich über meine Unruhe und Traurigkeit legte. Schlafen konnte ich auch wieder. Nie zuvor hatte ich mir etwas aus Rotwein gemacht, obwohl meine Urgroßmutter eine bordelaise gewesen war. Man hatte damals sehr umsichtig geheiratet, die Rotweinfrau aus Bordeaux den Rieslingmann vom Rhein.
    Jetzt habe ich das erste Glas vom Burgunder eingeschenkt, ich lasse ihn ein bißchen kreisen, mein Weinkennerfreund Dr. P. würde jetzt seine Nase ins Glas halten, dann schlürfen und ziepschen und wälzen und kauen und schlabbern, es wäre ein schreckliches Getöse. Ich trinke einfach und warte. Er schmeckt irgendwie braun.
    Bordeauxweine mag ich nicht. Ich mag überhaupt offenbar das nicht, was man große Weine nennt. Wie oft habe ich, um Gastgeber nicht zu enttäuschen, die gängige Genußprosa von mir gegeben und mir als Gegenleistung sterbenslangweilige Geschichten über Fundort, Entdeckung, Erwerb, Verkostung und sonstige Weinfolklore angehört. Vor allem Rotwein setzt in vielen Menschen die Angebermaschinerie in Gang, weiß der Himmel, warum. Selbst über Geld reden sie in dem Zusammenhang ungeniert.
    Jetzt bin ich beim zweiten Glas und versuche, dem Geschmack auf die Schliche zu kommen. Dunkle, etwas matschige Brombeeren. Die Farbe braun fällt mir aber immer wieder
ein, etwas Herbstliches, nicht mehr Vitales legt sich mir auf die Zunge. Kann man Alter trinken? Macht einen das jünger? Burgunder macht etwas mit einem, hat Sch. gesagt. Daran muß ich jetzt denken, obwohl er es sicher anders gemeint hat.
    Meine Winzersippe in Rheinhessen gibt es schon lang nicht mehr. Sie waren allesamt ungestüm feiernde, leidenschaftliche und unernste Menschen, temperamentvoll und bezaubernd. Meine Mutter, die ihr entstammte, wünschte sich zeit ihres Lebens etwas von diesem leichten Binger Blut. Das hatte sie nicht geerbt. Nur die Kurzlebigkeit all dieser wunderbaren Leute, meiner Mutter gelang es als einziger, wenigstens die sechzig zu überschreiten.
    Ich weiß gar nicht, ob sie dort überhaupt Rotwein anbauten. Der kam damals aus Ingelheim oder von der Ahr und sollte bei unerfülltem Kinderwunsch helfen.
    Mein Onkel Battist behauptete, daß das klappe. Man müsse die Frauen nur für ein Wochenende zum Rotweintrinken dorthin schicken. Die Winzer würden schon für Erfolg sorgen. Damals wußte ich nicht, wovon die Rede war. Aber Wein kannte ich, den weißen, der in der grünen Flasche ohne Etikett
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