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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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»Fluch – über die Verräther! – Diese Sykophanten an Friedrichs Thron, die sein Volk für nichts achteten – sie werden die ersten sein – die ihm die Füße lecken, dem neuen Herrn – Stempelt diesen, zeichnet ihn, daß man ihn wieder erkennt, – er wird die fremde Livrée tragen. – O fort, – hinaus, die Luft hier erstickt.«
    Rittgartens Stock hatte den Minister nicht getroffen, aber sein Blick und Wort. Er war verschwunden, in der nächsten Stunde auch aus Berlin. Die Prophezeiung des Sterbenden ging in Erfüllung. Der Minister – aber er nicht allein – ließ wenig Monate darauf sich ein neues bordirtes Galakleid anmessen; er antichambrirte im Ministerrock des Königs von Westphalen, so stolz und aufrecht, die Brust so reich geschmückt, und er sah so gnädig und herablassend auf Niedere, als damals, wo er nichts war und sein wollte, als ein treuer Diener seines Herrn, des Königs von Preußen. Kleider machen Leute, sagt das Sprüchwort, aber nicht auf Alle passt es, denn in der Politik giebt es Männer, für die alle Kleider passen.
    Ein Sterbender war der Major Rittgarten. Er athmete draußen noch einmal die freie Luft, er schien Eisenhauch zu erkennen, er erschrak nicht. Der führte ihn, den er einst auf Tod und Leben gefordert. Ein Anderer hatte die Loose geworfen, eine andere Hand die Kugel abgedrückt. Aber da lief ein Mann mit Pinsel und Zettel heran und klatschte ein Plakat an die Thür. Als er das gelesen, zitierte er zusammen, Eisenhauch fühlte eine Erschütterung in den Gliedern des Greises. Auf dem Plakate standen die Worte:
     
    »Der König hat eine Bataille verloren. Seine Majestät und dessen Brüder, Königliche Hoheit, sind am Leben und nicht verwundet. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht . Ich bitte darum.
    Schulenburg.«
     
    »Es wird besser,« antwortete Rittgarten auf des Majors Frage, der Hülfeleistende heranwinkte. »Ja, es wird besser, es muß besser werden,« rief Eisenhauch. »O mein Gott, mein Vaterland!« – »Er kann nicht mehr allein stehen,« sagte Jemand. »Preußen!« athmete der Sterbende, an des Freiherrn Brust sinkend – es war sein letztes Wort. »Kann nicht mehr allein stehen,« wiederholte Eisenhauch dumpf. »Es hätte nicht allein stehen dürfen ohne Deutschland.« Der Schlag hatte den Invaliden getroffen.
     
    * * *
     
    Im Trauerhause, dem Hotel des Minister gegenüber, hatte auch ein Schlag getroffen. Die Baronin lag auf ihren Knieen am Bette, ihr Gesicht verbergend. Gott verzeih ihrer Seele, wenn sie nicht für die des Mannes betete, der eben, nach furchtbaren Konvulsionen, sanft entschlummert war. Warum war's eine Sünde, wenn ein edles Weib in ihrem Gebet an eine andere Seele dachte, wenn sie für diese um Vergebung flehte. Der Todte vor ihr hatte nie Jemand getäuscht, was er war, hatte immer zu Tage gelegen, der Richter überm Sternenzelt kannte ihn und würde nach seinem Werth oder Unwerth das Urtheil fällen. Aber die Seele des Einen war mit einem Fleck dahin gegangen. Ein einziger Fleck hatte die reinste Seele getrübt, und ehe er sich verantworten können, hatte das blitzende Schwert den Helden niedergeschmettert. Wußte sie, in welchen Aengsten, daß er Keinen hatte, dem er beichten, gegen den er sich von dem einzigen Fehler, der ihn drückte, entlasten konnte! Und war es denn eine Sünde, hatte er nicht wissen können, daß sie gern Alles für ihn hingab, daß sie mit Freuden seine Schulden bezahlt hätte, wenn er sich nur an sie gewandt! War das nicht edel, daß er es nicht gethan! Nur in einem schwachen Augenblick hatte er sich verführen lassen, auch nur vielleicht in Betreff des Wucherers, der ihn aus der Noth ziehen sollte. Und darum auf ewig verdammt! Nein, wenn Einer, er bedurfte des Mitleids. Und sie hatte zum Vater, von dem alle gute Gaben kommen, gebetet, daß er Dohleneck vergebe. Da war sie, fast erheitert, aufgestanden, sie hatte des Todten Hand gedrückt, auch er würde im Leben nichts dagegen einzuwenden gehabt haben, und in stiller Fassung saß sie im Lehnstuhl, die Augen schließend, als ein heftiger Schrei sie aufschreckte. Der Legationsrath, der, um Nachricht, ob Gefahr sei, einzuziehen, sie verlassen, war zurückgekehrt, er hatte sich über das Bett geworfen, der stöhnende konvulsivische Schrei kam von ihm.
    »Da ist ein edler Freund mir hingegangen. Er da oben nur weiß, was er mir war!« rief er, sich erhebend, die Hände über's Gesicht deckend. – Nur auf kurze Sekunden. Den nächsten Augenblick beugte er sich
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