Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Glas voll Mord

Ein Glas voll Mord

Titel: Ein Glas voll Mord
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    »Tante Aggie, ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Verdammt … dämliche … Frage.«
    Die alte Frau auf dem Boden würgte erneut. Ihr Körper wurde von Krämpfen geschüttelt, dann lag er still. Agatha Treadway starb so, wie sie gelebt hatte: voller Verachtung für Marion Emery.
    »Beim Essen ging es ihr noch gut.«
    Marion war keine große Hilfe. Sie saß zusammengekauert auf einem der staubigen, mit grünem Plüsch bezogenen Stühle im Flur und fröstelte in ihrem Baby Doll, das an ihrem hageren, nicht mehr ganz jungen Körper lächerlich wirkte und – sogar im Juli – eine recht optimistische Garderobe war; obwohl die Sommer im Osten Kanadas viel freundlicher sind, als Touristen es sich vorstellen.
    »Was hat sie gegessen?«, fragte Dr.   Druffitt barsch. Nicht zum ersten Mal hatte er das heftige Bedürfnis, der Kusine seiner Frau einen ordentlichen Kinnhaken zu verpassen.
    »Nur das Übliche …«
    »Das übliche  was ? Herr Gott noch mal, Marion, sag doch einmal in deinem Leben einen sinnvollen Satz!«
    »Verdammt, Henry, woher soll ich das denn wissen? Etwas aus einem von den Einmachgläsern im Keller. Grüne Bohnen, glaube ich. Und Brot, Butter und Tee, wie immer.«
    »Hast du das Gleiche gegessen?«
    »Ich hatte eine Tasse Tee und etwas Brot und Butter, mehr nicht. Bevor ich hier hergekommen bin, hab ich mir eine Kleinigkeit bei  Busy Bee  geholt. Ich weiß ja schließlich, dass man bei Tante Aggie umsonst auf ein anständiges Essen hofft.«
    Marions Achselzucken ging in ein Schaudern über. »Henry … sie ist doch nicht wirklich tot, oder?«
    »Hier, deck dich zu.« Der Doktor griff nach dem ausgeblichenen Gobelin, der auf dem Tisch im Flur lag, und legte ihn um Marions dünne Schultern.
    »Natürlich ist sie tot. So, wie der Küchenboden aussieht, tippe ich auf Vergiftung. Wahrscheinlich ist sie von Magenkrämpfen aufgewacht und in die Küche gegangen, um sich etwas Natronpulver anzurühren, und dann hat sie’s vollends erwischt. Ist von diesen grünen Bohnen noch was übrig?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Dann find’s raus, ja?«
    »Oh Gott, Henry, bitte verlang nicht von mir, da noch mal reinzugehen.«
    Aber Marion war es gewohnt, in diesem Haus zu tun, was man ihr sagte. Sie erhob sich mühsam, schlurfte den zugigen, dunklen Flur hinunter und sah dabei mindestens so alt aus, wie sie war, sechsundvierzig Jahre; Dr.   Druffitt trieb sie vor sich her wie ein alter bissiger Collie. Als sie durch die Schwingtür in die Küche gingen, hörten sie ein Klopfen an der Hintertür.
    »Wer zum Teufel ist das?« Marion drückte sich an der Wand entlang, um nicht mit dem in Berührung zu kommen, was da überall auf dem Küchenboden war, und schaltete die Außenbeleuchtung ein. »Oh. Hallo, Janet.« Indem sie »Janet« so betonte, dass es sich auf »Tablett« reimte, verriet sie, dass sie nicht von hier stammte.
    Janet Wadman selbst, eine waschechte New-Brunswickerin, gebrauchte das sanftere »Jennet«. Sie wirkte ebenso sanft wie ihr Name, obwohl sie sehr entschieden sein konnte, wenn es nötig war. Ihre pfirsichblütenfarbenen Wangen zeigten kleine Grübchen, wenn es etwas zu lächeln gab, und ihr babyfeines Haar sah aus wie ein zarter, lockiger Nimbus, der bronzen unter dem Nachthimmel schimmerte.
    Janet war die jüngere Schwester von Bert Wadman, dem die Farm nebenan gehörte – und das war auch schon die gesamte Nachbarschaft, die das Herrenhaus hier auf dem Hügel hatte.
    Janet trug eine wollene Stola, ein fein gearbeitetes, mit Rosen verziertes Stück, das für eine elegante Dame gemacht war und das Berts Frau ihr vor anderthalb Jahren geschenkt hatte, als Janet eine Stelle in einem Büro in Saint John angetreten hatte. Damals hatte sie die Stola geliebt. Jetzt waren die Rosen darauf ein wenig zu grell für ihren blassen Teint, das Muster zu niedlich für den mittlerweile erwachseneren Zug um ihren Mund.
    »Ich konnte nicht schlafen« – die violetten Kleckse unter Janets dunkelgrauen Augen verrieten, dass sie das schon seit einiger Zeit nicht mehr konnte – »und ich habe den Wagen des Doktors gehört. Geht es ihr nicht gut?«
    Henry Druffitt hatte schon immer etwas Bösartiges an sich gehabt. Er trat zur Seite, sodass sie in die Küche sehen konnte. »Was glauben Sie wohl?«
    »Oh mein Gott! Was …?«
    »Henry sagt, es war eine Vergiftung.«
    »Aber das ist absurd! Sie … Ich hole Sägemehl.«
    Janet biss die Zähne zusammen und rannte zum Holzschuppen. Sie musste weg von dort,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher