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Ein Glas voll Mord

Ein Glas voll Mord

Titel: Ein Glas voll Mord
Autoren: Charlotte MacLeod
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Mopp, füllte den Eimer mit heißer Seifenlauge und zog ein Taschentuch hervor, um ihre tränennassen Wangen zu trocknen. »Und außerdem«, sagte sie, »können Sie so viel analysieren, wie Sie wollen – es kann nicht sein, dass Mrs.   Treadway verdorbene Bohnen im Haus hatte.«
    »Wer ist hier der Doktor, du oder Henry?«, erwiderte Marion scharf. »Wenn’s nicht Tante Aggie war, wer dann? Das ist eins von ihren Einmachgläsern, oder etwa nicht? Gott weiß, ich habe genug dieser Gläser gesehen.«
    »Ja, ich weiß. Sie hat zwölf Dutzend jeder Größe gekauft, an dem Tag, als sie aus ihren Flitterwochen kam, und hat ihr Leben lang nicht ein einziges davon zerbrochen. Sie war sehr stolz auf diese Einmachgläser.« Janet wischte sich eine letzte Träne weg und fuhr fort, mit dem Mopp das Seifenwasser auf dem Boden zu verteilen. Mrs.   Treadway war auch sehr stolz auf ihr Linoleum gewesen.
    »Aggie war schon fast jenseits von Gut und Böse«, sagte Henry Druffitt mit seiner unruhigen Stimme, die eine seiner zahlreichen unerfreulichen Merkmale war. »Ihre Fähigkeiten waren nicht mehr das, was sie mal waren.«
    »Ihre Sinne waren scharf wie Rasierklingen«, insistierte Janet, »Marion kann das bestätigen.«
    Ohne Zweifel war die Nichte oft genug hier gewesen, um das bestätigen zu können – obwohl die Tante alles versucht hatte, um Marion, die sich stets selbst eingeladen hatte, zu vergraulen. »Sie ist ein geldgieriger Schnorrer«, war Mrs.   Treadways gallige und völlig richtige Einschätzung von Marions familiärem Engagement gewesen, und sie hatte sie sowohl hinter Marions Rücken als auch in ihrem Beisein oft geäußert.
    »Außerdem«, fuhr Janet fort, »wusste sie sehr genau, worauf man beim Einmachen von grünen Bohnen achten muss. ›Wenn man Luft dranlässt, ist es das Letzte, was man in diesem Leben essen wird‹, hat sie immer gesagt. Das weißt du doch, Marion.«
    Dr.   Druffitt hörte nicht zu. Er wickelte die entnommenen Proben in ein sauberes Handtuch und verstaute sie in seiner schwarzen Ledertasche. »Marion, ich nehme an, du willst mit mir zurückfahren. Zieh dich an, ich rufe derweil Elizabeth an und frage, ob sie das Gästezimmer fertig hat, okay?«
    »Aber ihr werdet doch wohl nicht wegfahren und Mrs.   Treadway einfach so hier liegen lassen, oder?«, rief Janet, »das gehört sich nicht!«
    »Ich bezweifle, dass sie noch Wert auf Anstand legt«, grummelte der Doktor. »Aber meinetwegen. Legen wir sie auf den Esstisch. Morgen früh schicke ich Ben Potts hierher. Hat ja keinen Sinn, dass er sich auch noch die Nacht um die Ohren schlägt.«
    Er fasste Mrs.   Treadway unter den Achseln und drehte sie auf den Rücken. Ihre Arme klatschten auf das Linoleum. Marion wandte sich ab, aber Janet kniete sich hin, griff nach den dünnen Beinen und hob sie hoch. Das war zwar nicht gut für ihre Operationsnarbe, aber der letzte Dienst, den sie ihrer alten Freundin erweisen konnte – und das war alles, was zählte. Marion mobilisierte immerhin genug Unternehmungsgeist, um voranzugehen und das Licht im Esszimmer anzumachen. Als es auf den Kopf des Doktors fiel, konnte Janet nicht umhin festzustellen, dass er kahler war als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Henry Druffitt wurde alt. Auch seine Frau musste schon in den mittleren Jahren sein, obwohl Mrs.   Druffitt Janet immer irgendwie alterslos vorgekommen war. Sie hatte sie als Lehrerin in der Sonntagsschule gehabt, und für Janet war Mrs.   Druffitt stets wie eine Kirchturmspitze gewesen: starr und unfehlbar in die richtige Richtung weisend.
    Unfehlbarkeit war die Sache des Doktors nicht. Henry hatte die Praxis seines Vaters übernommen, nachdem er sich mit Ach und Krach durch das Studium gehangelt hatte, und er hatte die Praxis nur halten können, weil es weit und breit die einzige war – bis durch den neuen Highway das Krankenhaus in erreichbare Nähe rückte. Jetzt zogen es seine Patienten vor, ihre ernsteren Krankheiten dort behandeln zu lassen, wo die Diagnosen verlässlicher und die Prognosen weniger von guter Konstitution und günstiger Veranlagung abhingen.
    Annabelle Wadman war zurzeit in diesem Krankenhaus, wegen eines Leidens, das die älteren Damen von Pitcherville immer noch »ein gewisses Frauenleiden« nannten. Annabelle hatte seit einiger Zeit gewusst, dass die Operation vorgenommen werden musste, und den Termin in die Sommerferien gelegt, damit ihre Kinder währenddessen bei den Großeltern bleiben konnten, die nicht weit vom
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