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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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werden . Ich verbiete durchaus alles Zusammenlaufen, alles Schreien auf den Straßen, alles öffentliche Theilnehmen an denen so verschiedentlich einlaufenden Krieges-Gerüchten; denn ruhige Fassung ist dermalen unser Loos, unsere Aussichten müssen sich nicht über dasjenige entfernen, was in unsern Mauern vorgeht; dieses ist nur unser einziges höheres Interesse, mit welchem wir uns allein beschäftigen müssen – – –
    Berlin, den 19. Oktober 1806.
    Fürst von Hatzfeld .«
     
    Es mussten schon Flüchtlinge in der Stadt sein; vielleicht verbargen sie sich vor der Neugier oder dem Grimm des Volkes in den entfernteren Theilen. Aber das Volk suchte nach ihnen. Da hielt es eine staubbedeckte Reisekalesche an, und zwang einen Offizier herauszusteigen. Vergebens protestirte er, daß er die Schlacht nicht mitgemacht, nicht vom Schlachtfeld komme, vielmehr über Schlesien aus Oesterreich; der Wagen kam vom schlesischen Thor. Zum Gouverneur wollte er sich führen lassen, obgleich die Eskorte ihm unangenehm war, als Herr von Fuchsius ihm begegnete und von der verdächtigen Begleitung befreite.
    »Zu spät!« – »Wieder zu spät!« erwiderte Eisenhauch und drückte die ihm entgegen gehaltene Hand. »Das ist mehr als Austerlitz.« – »Zum Gouverneur! Kommen Sie mit? – So lange die Möglichkeit da ist –« »Die Gewißheit!« unterbrach der Rath. »Auch Sie ohne Trost und Hoffnung?« – »Die Gesetze der Natur sind ewig. Die Kugel rollt nur, bis sie den Abgrund erreicht, und der Verbrecher bleibt nur ungestraft, bis sein Maß voll ist.« Welche fast lüsterne Freude glänzte auf Fuchsius' Gesicht, als er dem alten Bundesgenossen die Hand rasch zum Abschied gedrückt. »Wohin? Wohin?« – »Das im Kleinen thun, was Gott im Großen vollenden wird, wenn – auch da das Maß voll ist. Jetzt entlarven – ein Scheusal!«
    Eisenhauch begriff ihn nicht. Wer konnte einer Bagatelle jetzt nachgehen! Das Reich der Pygmäen war ja aus. Er bedachte nicht, daß um deßwillen noch nicht das von Titanen beginnt. Er traf den Minister auf dem Flur – er kannte ihn, er wußte, was er unter andern Umständen von ihm erwarten durfte, aber jetzt. – Der Minister war zugleich preußischer Krieger, ein hoher General, er hatte einst ein Armeecorps kommandirt. Jetzt musste er den Zopf fortgeworfen haben, jetzt in Stahl und Eisen aufspringen, und wirklich der Minister schien erfreut, wie man erfreut ist nach einer guten That. Er erkannte sogleich den Freiherrn: »Gott sei Dank, mir gelang eben etwas, was von dieser Stadt eine große Gefahr abwendet.«
    Da rückte Eisenhauch rasch in kurzen Worten mit seinen Anträgen vor: er bot seine Dienste an, er stellte sich zur Disposition, wohin man ihn brauchen könne, er wollte noch mehr: einen unterwegs entworfenen strategischen Plan andeuten, wie man durch rasches Zusammenziehen der gebliebenen militärischen Kräfte und Benutzung der Lokalitäten Positionen einnehmen könne, nicht stark genug, um einem ernsten Angriff des siegreichen Feindes zu widerstehen, doch ausreichend, um die Hauptstadt vor dem ersten Anprall zu schützen, die zersprengten und flüchtigen Truppen aufzunehmen in Cadres, zu sammeln – als der Minister mit Entsetzen ihn unterbrach: »Sind Sie rasend! In ein brennend Haus sich stürzen! Wir – wir werben nicht – was neue Soldaten – sollen wir noch den Kaiser reizen! Wir können Gott danken –« »Wenn wir unser elendes Leben salviren,« rief eine stimme von der Hofthür her.
    »Machen Sie sich aus dem Staube, liebster Freiherr Eisenhauch, verschwinden Sie, schnell, schnell, ehe ein Spion Sie erblickt. Gott sei Dank, mir gelang wenigstens eins: das Pulver ist aus Berlin, ehe er eintrifft. Er wittert überall Verschwörungen, Empörungen, Herr Gott, er hätte in Zorn gerathen können –«
    »Ueber die Kreatur, die er zum Mann schuf, und sie ward ein Wurm!« rief eine Stimme und der alte Rittgarten hob seinen Stock. Es war ein erschreckender Anblick, der Greis, der sichtlich auf den Füßen schwankte, seine Brust bebend, sein Gesicht vom Blutandrang geröthet, aber weiße, verrätherische Streifen zogen sich von der Nasenwurzel bis an die Mundwinkel. Seine Stimme polterte, aber die Laute waren nicht mehr artikulirt. Man konnte auf einen Schlaganfall aus Gemüthserschütterung schließen. Und den Stock in der Luft schwingend, drohte er das Gleichgewicht zu verlieren. Eisenhauch hatte ihn rasch unterfasst. Mit äußerster Anstrengung stieß der alte Krieger Worte vor:
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