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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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erlernt, was geboren ist: das Herz zeigen am rechten Fleck. Ist der König geschlagen, so gilt's, ihm aufbewahren als treue Unterthanen, unsern Muth, unsre Treue, uns selbst. Er wird wissen, ob er Berlin halten soll oder aufgeben, und an uns ist's, ihm die Entscheidung offen erhalten. Das ist unsre Schuldigkeit. Es gilt, der Obrigkeit, die er zurückließ, gehorchen, und wenn sie stumm bleibt, sie fragen was müssen wir thun, daß dem Könige seine Hauptstadt gerettet wird? Sind Soldaten da, so sammelt sie, sind's Invaliden, ruft sie auf, sie werden dastehen. Sollen die Bürger ihnen zutragen, schanzen, Wache stehen? Sollen Wagen und Proviant hinaus, die Flüchtlinge einzuholen? Soll ihnen ein Lager abgesteckt werden? Soll junge Mannschaft geworben werden? Sollen wir Pulver holen, Kugeln gießen, abkochen für die Ankömmlinge? Alles das weiß der Bürger nicht, Excellenz, aber er hat ein Recht, von Denen es zu erfahren, die der König zurückließ an seiner Statt. Die müssen es wissen, Die uns vorangehen. Und Die und wir Alle haben die Verpflichtung, uns so zu zeigen, daß der Feind erfährt, er hat eine Stadt von Männern vor sich, nicht von Memmen.«
    Gewirkt hätte die Rede, wenn nicht zwei Umstände die Wirkung paralysirten. Von draußen schrie es: »die Königin! die Königin flieht aus Berlin!« – »Die Königin redet zu den Bürgern!« Darauf eilten die Entschlossensten nach dem Palais. Vielleicht war dort Rath und Hülfe. Im hintern Hofe aber hatten Andere einen Reisewagen umgestürzt. Wo mischt sich nicht schlechtes Gesindel hinein, wenn der Patriotismus aufbraust! »Sie plündern! Herr Major, hindern Sie's! Man weiß nicht, was draus wird! – Es sind Soldaten dabei.« Es bedurfte für den Offizier kaum der Aufforderung.
    Die Excellenz ließ ihren Wagen im Stich, sie hatte eine höhere Aufgabe, das Terrain war günstiger, die Haufen gelichtet, er glaubte geneigtere Gesichter zu sehen. Er war auf die letzte Stufe in ihren Kreis getreten: »Mitbürger! Theuerste Freunde! Der Augenblick ist entsetzlich, aber lassen Sie sich von unruhigen Köpfen nichts aufreden. Hier ist nicht zu helfen. Der Himmel hat es so gefügt, wir müssen uns drein finden. Der mindeste Widerstand, irgend ein unruhiges Benehmen von Ihrer Seite könnte die schrecklichsten Folgen haben. Denken Sie an Ihre Frauen, Ihre Kinder, denken Sie an Wien! Wie ungnädig hat Seine Majestät der Kaiser Napoleon das trotzige Benehmen der Bürger aufgenommen. Er ist nun einmal der Sieger. Er wird ein großmüthiger Sieger sein, wenn Sie der Vernunft Gehör schenken. Seien Sie freundlich, seien Sie sehr freundlich gegen ihn. Ueberwinden Sie sich; wenn er einzieht, rufen Sie Vive l'Empereur. Ich weiß, es wird Ihnen schwer werden, aber der Mensch kann sich überwinden, meine Herren, der Mensch kann viel, wenn die Noth ihn zwingt. Recht friedlich, recht besonnen! Illuminiren Sie! Das wird ihn überraschen, sein Herz wird sich aufschließen. Liebe Mitbürger, hören Sie auf den Rath eines Mannes, der's mit Ihnen wohl meint, es ist nicht für mich. Bedenken, erwägen Sie, ich wiederhole es nochmals, wie schrecklich sein Zorn auf Wien fiel. Sie sind keine Wiener, Sie sind Berliner, und das Beispiel wird Sie lehren, daß eine männliche, ruhige Hingebung im Unglück es allein ist, die den Patrioten ehrt.«
    In den Akten der Zeit wird man freilich diese Rede nicht aufgeschrieben finden. Aber man findet mehr – ein gedrucktes Aktenstück. An allen Straßenecken stand – an einem spätern Tage – folgendes Proklama und in den Berliner Zeitungen las man es am 21. Oktober 1806.
    In dem Proklama hieß es:
     
    »– Nur festes Anschließen an Diejenigen, welche das mühselige Geschäft übernehmen, die von einer solchen Begebenheit unvermeidlichen Folgen zu mindern, so wie die, mehr als jemals nöthig gewordene Ordnung zu handhaben, kann die schrecklichsten Folgen abwenden, welche der mindeste Widerstand oder irgend ein unruhiges Benehmen der Einwohner über die Hauptstadt verbreiten würde , und das noch neuerliche Andenken des Betragens, welches die Einwohner Wiens in einer ähnlichen traurigen Lage beobachtet haben, muß die Einwohner Berlins belehren: daß der Ueberwinder nur ruhige männliche Hingebung im Unglücke ehrt . – – – Ich ermahne Jeden (denn – hoffentlich werde ich es nicht nöthig haben zu befehlen) – – ruhig bei seinem Gewerbe zu bleiben, und alle Sorgen Denjenigen zu überlassen, welche sich rastlos mit seinem Wohl beschäftigen
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