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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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»Sie weiß, daß ich meine selige Frau innigst geliebt habe, aber die Welt gehört den Lebendigen, sagt der Dichter, und die Todten soll man ruhen lassen.«
    »Die selige Frau Geheimräthin sollen wohl Ruhe haben, wenn sie aus dem Grabe sehen, wie's hier oben zugeht! Die Frau Geheimräthin, Ihre Schwägerin, kommt auch nicht so oft ins Haus. Aber ich werde mich wohl hüten, und mir die Zunge verbrennen wie damals und sagen was ich denke. Aber was die selige Frau Geheimräthin denkt, wenn die Geheimräthin Schwägerin den Kleinen Zuckerbrod bringt und sie über den Kopf streichelt, das weiß ich.«
    »Meine Schwägerin ist eine sehr respektable Frau, Charlotte.«
    »I Herr Jesus, wer redet denn auch gegen sie? Aber den Blick vergeß ich nicht, auf ihrem Todtenbett, wie die selige Frau zurückschauderte: Ach wie sieht sie die Kinder an! sagten sie, nämlich die Frau Geheimräthin auf dem Todtenbett. Und so riß sie die Kinder an sich und dann sagte sie: Ach sie hat so spitze Finger!«
    »Das waren Visionen, sie war im hitzigen Fieber.«
    »Aber die Frau Geheimräthin Schwägerin verknifften ordentlich den Mund und sagten: Mein Gott, als ob ich mich um die Bälger risse! Und dann sagte die Sterbende, und da war sie nicht mehr im Fieber: die Charlotte, die hat wenigstens ein weiches Herz! – und da hatte die Selige recht, und ich habe die Kinder lieb gehabt, als wenn's meine eigenen wären, und wenn's nicht die Kinder wären, i da wäre ich ja schon längst aus dem Hause, wo man so mit mir umgeht.«
    Dem Geheimrath schien unangenehm zu Muthe zu werden, da Charlotte in einen Thränenstrom ausbrach, der nicht mehr zu stillen schien.
    »Es war ja auch nicht so gemeint,« sagte er endlich, – »Sie soll ja nicht auf der Stelle fort, ich meinte nur –«
    »Es werden sich schon Andere finden, – o das weiß ich, – ich weiß auch wer. Und wenn die Selige das von oben sieht, wie die Schwägerin mit ihren spitzen Fingern die Kleinen liebkost, dann wird sie Nachts vor des Geheimraths Bette treten, und was sie ihn dann fragen wird –«
    »Halte Sie doch das Mau –! Charlotte – liebe Charlotte, Sie ist echauffirt.«
    Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ sich nicht in Abrede stellen. Es waren auch Gründe dafür.
    Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes, nämlich wenn es ihn in seiner Ruhe inkommodirte. Er suchte sie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er sagte, solche Dinge müsse man bei kaltem Blute überlegen, schob er den Stein des Anstoßes etwas weiter auf den Weg.
    Da schien ein Friede geschlossen, wenigstens ein Waffenstillstand; Charlotte weinte nur noch still, der Geheimrath seufzte und mochte wieder an Anderes denken, als er sich erkundigte, was denn die Kinder machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas anderes ein.
    »Aber, Charlotte, sage Sie, wie kam Sie nur darauf, und mit den Kindern! vors Thor zu laufen, dahin! Eine Hinrichtung ist ein unmoralisches Vergnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgestellt, es ist gegen die Humanität, ein Schauspiel, woran nur der rohe Pöbel Vergnügen finden kann.«
    »Sie haben schon ganz Recht, Herr Geheimrath, aber Sie hätten die Person sehen sollen, die Marianne; ganz schlooseweiß war sie, vom Kopf bis zum Fuß, und wie sie die Augen niederschlug, die Hände hielt sie so vor sich gefaltet! Und der Herr Prediger saß neben ihr, und noch oben sprach er mit ihr, und dann küsste sie ihm die Hand und knixte noch einmal vorher gegen uns Alle. Und die vornehmsten Herren in Thränen. Ach Herr Geheimrath, es war Ihnen etwas, ich sage Ihnen, es ging einem durch Mark und Bein, und Manche dachten, ach wenn du doch auch so sterben könntest, so den Herrn Prediger neben sich und ganz weiß, und Blumen, und die Putzmacherin, Mamsell Guichard an der Stechbahn, hatte ihr ein Tuch mit Spitzen geschenkt und die vornehmsten Personen weinten. Und ich habe sie auch gekannt die Marianne, und eyedem war sie keine schlechte Person.«
    »Sie hat mir davon erzählt. Aber nun ist sie eine Kindesmörderin.«
    »Und das ist schlecht von ihr, Herr Geheimrath; das wird auch kein Mensch abstreiten. Und wir haben's ihr alle vorhergesagt. An solchen Kerl sich zu hängen! Er war noch nicht einmal königlicher Stallknecht, da konnte er noch lange dienen. Und wenn er's geworden, ob er sie dann geheirathet hätte! Wenn's denn doch einmal sein sollte, wär's nur ein anständiger Herr gewesen, sagte ihre Tante. Der hätte doch fürs Kind
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