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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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über Romy Schneider, Rita Hayworth, Lauren Bacall. Geschirr mit Zwiebelmuster – Muttis Erbe. Der mir bekannte Blinddarm. Im Glas. Im Bücherregal.
    An einer billigen Korkpinnwand hängen rätselhafte Codes: Orwell Elisabeth. Film Skrjabin Paprika. Psycho Ford WC-Frisch-Sprühpulver Titanic. Robert hat eine akkurate Jungenschrift und ein numerisches Gedächtnis. Pythagoras war der Meinung, dass die Welt aus Zahlen besteht. Robert ist der Meinung, dass man den Zahlen einen Sinn zuordnen sollte. Das Prinzip ist ganz klar. Orwell Elisabeth bedeutet 84 52. Der bekannteste Roman und die Krönung. Wahrscheinlich die PIN-Nummer einer Kreditkarte. Darunter steht Film Skrjabin Paprika. »Meine Telefonnummer«, erklärt er: »Einführung des Tonfilmes: 27, Tod des spätromantischen russischen Komponisten Skrjabin 15, und dein Geburtsjahr als solches.« Nach dem vorgegebenen Muster identifiziere ich selbstständig meine eigene Telefonnummer: Psycho wurde 60 gedreht, Ford 95 geboren, dann 00, »die Hygiene fürs WC«, und die Titanic sank 12.
    Robert steht ein wenig verloren da und summt. Er ist heute wieder mal so vorsichtig, dass er Gürtel und Hosenträger gleichzeitig trägt. Es klingelt. »Das Geschenk«, flüstert Fred erklärend. »Was schenke ich?«, raune ich in sein parfümiertes Ohr. »Eine Thai-Frau, die nackt aus einem Kuchen springt«, flüstert er zurück und setzt ein Andreas-Türck-Lächeln auf, brandneu eingeübt, zum ersten Mal vor Publikum im Einsatz. Für den Bruchteil einer Sekunde finde ich die Idee gar nicht so schlecht. Aber dann stampft mit einem fatal hintersinnigen »Überraschung!« auf den dünnen Lippen tatsächlich Kitty ausdem Nebenzimmer. »Sie hat nämlich heute Geburtstag«, sagt Robert und wischt die Handflächen an der Bundfaltenhose ab. »Es hat zwar in der Talkshow bei uns nicht gleich gefunkt, aber wir haben beschlossen, uns heute noch eine …« Kitty ergänzt: »Schangse zu geben, irgendwie.«
    »Zum Wiegenfeste nur das Beste! Ich wünsche Intelligenz und Schönheit«, sage ich und schüttle ihr im Affekt sogar die Hand. »Gesund bist du ja!« Dann mache ich Fred verstohlen ein Zeichen, aber er winkt nur vorfreudig zurück. Zwei Muskelmänner, die sonst wahrscheinlich beim Bestattungsinstitut Pietät-Meyer arbeiten, tragen die Torte rein. »Paprika«, sagt Kitty und strahlt übers ganze Gesicht, Länge mal Höhe mal Breite. »Das ist aber lieb von dir!« Dann springt die Thai-Frau.
    Kitty steht starr. Robert steht starr. Ich mache ein Polaroid. Fred sagt Olala und schüttelt peinlich berührt seine Hand. Man steckt nicht drin! Die Thai-Frau sieht sich fragend um. Fred zögert einen Moment, zeigt dann auf Robert und startet einen Prince-Song auf dem mitgebrachten Ghettoblaster. Dann beginnt sie zu tanzen, vornehmlich an Robert rauf und runter. Sie stippt den winzigen Thai-Finger in die Schlagsahne, netzt sich damit ihre winzigen braunen Thai-Nippel und fordert Robert hartnäckig auf, daran zu lecken. Kitty schlägt die Hände vors Gesicht, Fred klatscht im Takt, ich bekämpfe ein nervöses Lachen, Robert wohl eher eine Art Brechreiz.
    Schade, dass Dietrich nicht hier ist! Der wüsste diese aus dem prallen Leben gegriffene Szene zu würdigen! Der würde einen Kommentar abgeben: Andere Länder, andere Titten oder: Man fickt sich so durch! Aber er zieht es ja vor, Stammkunde im Bärschnglubb zu sein und seinen blöden Schwanz in Mändy Schlunz zu stecken. Also hater bei mir vorübergehend Hausverbot. Es geht da einfach ums Prinzip. Ich bin ästhetisch enttäuscht. Aus mindestens drei Gründen: Dietrich findet Mändy nicht dämlich, sondern »erfrischend«. Er findet sie nicht fett, sondern »reizvoll an der Kippe zum Übergewicht stehend«. Er, der nach Moni schwor: Nie wieder eine Broiler-Frau!, redet sich nun raus mit: »Es ist der Eros, der verbindet, wo der Logos scheidet und klärt.« Soll er sich eben die Haxen abkratzen!
    Kitty scheint auch ästhetisch enttäuscht. Nach der Thai-Einlage will keine rechte Stimmung mehr aufkommen. Robert holt ächzend einen großen Karton aus dem Nebenzimmer und stellt ihn vor Kitty auf die Glasplatte des Couchtisches. »Es ist ein Lexikon«, sagt er und räuspert sich.
    »Ich hoffe, du hast es noch nicht.«
    »Keine Sorge«, sage ich. »Wenn es ein Buch ist, dann hat sie es garantiert noch nicht!« Robert sagt: »Du liebe Güte!« Kitty schiebt den Kiefer vor und sieht missmutig auf den Karton. Es ist das zehnbändige rororo-Lexikon des
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