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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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Viva-Charts ist, bin ich auch für die
Bravo
interessant. Seit ich für die
Bravo
interessant bin, kreischen die Teenager, wenn sie mich sehen. Mein zweiter Gedichtband enthält ein Vorwort von Reich-Ranicki. Ich war im
Playboy
abgebildet. Starfotografen, hippe Maler und berühmte Fernsehjournalisten betteln darum, mich porträtieren zu dürfen.
    Dietrich ist mein Manager, Robert mein Sekretär, Fred kommissarischer Chef meiner Firma, Pastor mein Chauffeur. Ich trage den Grimme-Preis in Gold, Scorsese will ein Drehbuch von mir, Christoph Schlingensief ein Kind und Iris Berben hat sich die Haare blondieren lassen, um nicht dauernd für mich gehalten zu werden.
    Ironie des Schicksals, dass ein so extrem massenfeindlicher Mensch wie ich so extrem massenwirksam ist.
    Heute wird ohnehin jeder für jemand anders gehalten. Verkleiden ist Pflicht. Es gibt weder Haute Couture noch Maßanzüge. Ich trage eine gepuderte Rokoko-Perücke, ein Kleid mit Reifrock, tiefem Dekolleté und eng geschnürter Taille. Ein Filmproduzent belagert mich. Er prahlt damit, der Entdecker von Tom Hanks zu sein. Ich nicke huldvoll. Ich beherrsche das Reden über Nichts in allen Varianten. »Was für eine Ehre! Der Entdecker von Tom »dem Pupgesicht« Hanks! Toll! Dass ich das noch mal erleben darf!«
    Wie geht’s, Frau Kramer? Was macht die Kunst? Hach ja, geht so, muss ja, ich bin eine gefährliche Irre und sollte nicht frei herumlaufen. Schöntachnoch! Herumstreunende Kamerateams fragen mich ständig dasselbe: Was sind Ihre Pläne für Silvester 2000? Stelle mich jedem als jemand anders vor. Damit es nicht allzu eintönig wird, mache ich es mir zum Ehrgeiz, jedes Mal was Neues anzubieten: Früh ins Bett gehen, Käfer tottreten,in ein frisch bezogenes Hotelbett pissen, Broiler schlachten, mich selbst vorm Brandenburger Tor verbrennen, die Lätta klauen …
    Dietrich tanzt zu Rondo Veneziano wie ein Zeitlupen-Bobo. Energisch ziehe ich ihn hinter mir her und kämpfe mich durch einen üblen Gesprächsmüllhaufen. Rilke hatte recht. »Da werden Reste veräußert zu unglaublichen Preisen. Es ist ein Ausverkauf aller Bestände.«
    »Wer braucht Cavallo-Reitstiefel, Schaftgröße 47/35?«
    »Mir geht’s gut. Du weißt ja, schlechten Leuten geht’s immer gut!«
    »Karl-Heinz will seinen Rotkohl nicht essen, solange keine Zahnseide auf dem Tisch liegt.«
    »Der vierte Finger ist der schwächste, schaun Sie, da gehen die Sehnen über Kreuz.«
    »Du hast Lippenstift am Zahn.«
    »Man muss den Braten alle fünf Minuten begießen.«
    »Wie heißt gleich noch der mit dem Hut? Joseph Beuys? Udo Lindenberg?«
    »Die Barhocker vom Onassis waren mit Walfischvorhaut überzogen.«
    »Neinnein, also da würde ich mir gar keine Hoffnung machen!«
    »An der Riviera? Oder in London?«
    »Ich habe eben ein Händchen für Rosen!«
    Jetzt bittet MomphhMomphh zum Höhepunkt des Abends. »Gefährliche Liebschaften« wird als Theaterstück aufgeführt, und ich bekomme einen prominenten Logenplatz, ganz wie Glenn Glose als Marquise de Merteuil. Ich bin allein in der Loge, lehne gähnend über der Brüstung und spucke auf die Damenhüte im Parkett. Die Spucke zieht Fäden. Die Inszenierung ist sterbenslangweilig. Schlimmer kann die Lektüre der
Frau in Europa
von C. G. Jung auch nicht sein. Ich ziehe es vor, auf mein Handy zu starren, als ich plötzlich eine wohlbekannte Stimme an meinem linken Ohr spüre. »Eugénie! Drehen Sie sich nicht um und heben Sie Ihren Rock!«
    Valmont! Hier! In aller Öffentlichkeit! Er kann doch nicht! Er wird doch nicht! Das Theater ist gerammelt voll! Gerammelt! Mir steigt das Blut in Gesicht, Nippel und Möse. Valmont trägt eine dunkle Perücke. Ein Lächeln umspielt seinen sonst so strengen Mund. Aber sein Blick aus tief umschatteten Augen ist ernsthaft, andächtig, feierlich. Über dem gestärkten Rüschenkragen ragt seine Nase wie eine Harpune gen Bühne. Gerammelt! Er reißt mir das knielange Rüschenhöschen vom Kostümverleih Wagensonner mit einer Handbewegung vom Arsch wie eine alte Tapete. Ich kralle mich am Geländer fest:
    »Wir können doch nicht …«
    »Halt’s Maul, Schlampe! Dreckfotze!«
    Seine Hände greifen an meiner Taille vorbei von oben um die Innenseiten meiner Schenkel und biegen sie auseinander, als wollten sie eine Keule aus der Martinsgans brechen. Ich stehe für einen Augenblick wie eine Barrenturnerin nur auf den Händen. Meine Armmuskulatur zittert vor Anspannung. Wie kann er nur! Wenn das die Leute sehen. Wenn
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