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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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Grillen, Mücken, tote Motten in Fliegengittern. Und dann diese Stille! Widerlich!«
    »Ich habe einen langen Atem«, droht Pastor beharrlich. Und einen schlechten dazu! Heute hat er ausgiebig mit Kölnisch Wasser gegurgelt. Er ist eine fatal aromatisierte Ode an das Nichts. Er langweilt mich. Er sieht aus wie ein Mettbrötchen. Er ist stillos, abgeschmackt und lästig. Und was das Schlimmste ist: Er hat ein Grübchen am Kinn. Ich weiß nicht, warum andere darauf abfahren. Ich hasse Grübchen. Besonders welche am Kinn wie bei Kirk Douglas oder Til Schweiger. Sieht aus wie ’ne Arschritze. Pastor stammelt verzweifelt, er wolle mir ja nur eine Freude machen, mit mir zusammen sein, ehmt den Tag verbringen …
    »Immer mit der Rute«, sage ich, und dann passiert etwas Seltsames. Noch ehe ich meinen Versprecher korrigieren kann, lodert in Pastors wimpernlosen Augen hündische Ergebenheit auf. Es ist, als hätte ich ein Zauberwort gesprochen, das Pastor auf ewig sklavisch an mich binden würde.
    »Heute möchte ich Ihr Zögling sein«, hatte Valmont bei unserem letzten Treffen gesagt. Aber ich sah mich außerstande, zu gehorchen, die Rollen zu tauschen. Ich ihn foltern? Male auf seiner göttlichen Haut? Wird dabeinicht seine Autorität verletzt, meine Hingabe beschädigt? Valmont ist mein Herr, mein Hirte, meine Bestimmung. Und so soll es auch bleiben.
    Wenn schon quälen, dann einen, der es verdient hat. Einen zum Knecht Geborenen wie Pastor. Soll er einen Platz in meinem Zwinger haben? Kurz stelle ich mir vor, wie er auf Knien hinter mir herrobbt, um Strafe winselnd und um eine Bifi – wie Maik. Dann müsste er stundenlang in der Ecke stehen, gebückt, mit dem Gesicht nach unten, und vor sich hersagen: »Ich bin ein blöder Broiler. Ich bin ein blöder Broiler.« Ich sehe Pastors Augen anzüglich blitzen, als hätte er meine Gedanken verfolgt. »Aber bitte gern«, sagt er. Von einem Moment auf den anderen ist die Stimmung gekippt, ist alles unmöglich geworden. Vergiss es, Mistpilz! Die Gewissheit, dass es dich muffigen Eierkopf glücklich machen könnte, von mir misshandelt zu werden, widert mich an. Einen wie Pastor will man nicht mal zum Sklaven haben.
    »Wissen Sie, wer sich neulich nach Ihnen erkundigt hat?«, frage ich.
    »Nein!« Pastors Haltung strafft sich, er beugt sich interessiert nach vorn. »Wer denn?«
    »Keine Sau!«
    Er lacht gequält.
    Fred klopft und schiebt sich gut gelaunt zur Tür herein. Zuerst gucke ich auf seinen Schwanz. Er ist schon wieder gewachsen. Dann sehe ich in seinem Gesicht, dass er gelauscht hat. Er hofft nun, dass ich einen anderen Prügelknaben gefunden habe. Das lässt ihn sich ebenbürtig fühlen. Es stärkt seine Position und macht ihn quasi zu meinem Verbündeten. »Ich wollte Sie nur an die Telefonkonferenz erinnern«, sagt er, pfeift aus der Nase und zwinkert mir verschwörerisch zu, während seine Lippenvorsichtig ein Peter-Hahne-Lächeln probieren. Dann legt er ein Kuvert auf den Tisch. »Kam per Express von TNT. Von einem gewissen Herrn … äh … Vallmong.« Meine Knie werden weich. Ich fetze den braunen Umschlag auf. Durch meine Hände gleiten an Nylonfäden aufgereihte schwarze Kugeln. »Die Arbeit ruft«, sage ich und zeige unmissverständlich gen Tür. »Zu Ihren Diensten«, sagt Pastor vieldeutig, macht eine tiefe antiquierte Verbeugung und geht rückwärts aus meinem Büro, als verließe er einen Thronsaal.

52. Vertane Schangse, irgendwie
    Robert lädt mich zu sich nach Hause ein. Ein unglaublicher Vorfall! Über das Warum hält er sich bedeckt. Eine kleine Feier als solche, sagt er. Aus gegebenem Anlass. Feier. In Roberts Wohnung, um die sich schon so viele Mythen ranken? Du liebe Güte! Wird er am Ende 40? Ich unterstütze grundsätzlich keine Geburtstage. Aber hier will ich eine Ausnahme machen. Erteile also Fred den Auftrag, ein exklusives erotisches Geschenk zu besorgen. Wir fahren mit der Limo vor. Fast bin ich enttäuscht von Roberts Wohnung. In meiner Phantasie war sie irgendwie aufregender. In der Phantasie ist alles aufregender. Außer Valmont. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf mein Handy. Aus gegebenem Anlass.
    Sollte Robert nach Feierabend tatsächlich morden, dann hat er gut aufgeräumt. Enttäuscht sehe ich mich um. Scheibengardinen. Ein Furnierschrank aus den 60ern. Ein Schreibtisch, auf dem sich Videokassetten, Noten und Filmrezensionen stapeln. Ein Notenständer.Ein Poster von Louise Brooks aus dem Film
Tagebuch einer Verlorenen
. Bildbände
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