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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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sie. Ich hake flink die Türkette zu und klemme ihr die Pfote ein. Sie zappelt wie eine frisch geköpfte Plötze. Als sie müde wird, lackiere ich ihre falschen Fingernägel. Rouge Noir von Chanel einfach rauf auf das Manhattan-Pink. Gepflegte Fingernägel sind die Eintrittskarte zum befriedigenden Sozialkontakt. Von der fertigen Broiler-Hand mache ich ein Polaroid und pinne es an meine Kaminzimmerwand. Dann lasse ich Mändy frei. »Du bist ja ne lusdsche Nudel«, sagt sie gutmütig, betrachtet ihre Nägel und will gleich rüber zu Maik, den tollen Nagellack zeigen. Dazu wird sie wahrscheinlich stolz broilern: »’s gahm nüscht«, was sinngemäß bedeutet: Es hat nichts gekostet.

56. Rettich im Rektum?
    Ich bin dann weg, hat Valmont gesagt. Das waren seine letzten Worte: Ich bin dann weg. Finde meinen Wohnungsschlüssel nicht und breche in Tränen aus. Burn-out-Syndrom. Schütte weinend den Inhalt meiner Handtasche auf die Fußmatte. Valium rollt über den Fußboden. Ich klaube es auf, kaue es und schlucke den bitteren Saft. Schlucken! Kommt er heute? Kommt er heute Abend? Sex von Satans Gnaden. Fingernägel will er rot. Nicht zu dunkel, nicht zu hell. Hier ist er ja, der Scheißschlüssel! Für Vergehen gibt es Strafpunkte. Der größte Feind der Freiheit ist der glückliche Sklave. Pumps. Hohe Pumps. Gnadenlos hohe Pumps. Oder die Lackdinger mit Fesselriemchen. Wo sind die bloß? Baden! Rasieren! Beine rasieren! Ein dünner schwarzer Blutfaden läuft über mein Schienbein. So weiß wie Schnee, so rot wie Blut, so schwarz wie Ebenholz. Das Blut lässt sich schwer stillen. Verdammt, ich habe keine Zeit! Verwechsele in der Hast Gesichtswasser und Nagellackentferner – brennt wie Feuer! Fluchend Gesicht abspülen, tränende Augen. Strapse oder halterlose Strümpfe? Schwarz oder weiß? Bustier oder BH? Lieber ein Kleid mit nichts drunter? »Machen Sie Ihren Reißverschluss auf«, wird er sagen, und: »Ich möchte, dass Ihnen der Träger von der Schulter rutscht!« Haare hoch? Dass er mein Gesicht sehen kann? Lieber offen? Damit er sie besser packen kann? Nur keinen Fehler machen. Oder absichtlich einen machen? Reue, Strafe, tausend Tode sterben, kämpfen, um besiegt zu werden.
    Sex mit Valmont in der Stretchlimo. Sex in der Kranführerkabine. Sex in der Riesenradgondel. Sex in der Umkleidekabine. Sex auf dem Dixi-Klo. Er ist der Spießund ich die Hühnerleber. Sex im Spiegelkabinett, unsere vögelnden Körper 1000-fach reflektiert. Valmonts große Nase, wie sie zärtlich meine Rosette umschnüffelt. Valmonts heiße Zunge, wie sie Rosenblätter darum zaubert. Valmont, wie er mich mehrfach unter erniedrigenden Umständen vergewaltigt und dann auf übelste Art und Weise beleidigt, beschimpft, verprügelt. Mein Lieblings-Tagtraum: Ich klaue im Kaufhaus, Valmont ist Detektiv und erwischt mich. Ich biete mich ihm an, um zu entkommen. Er verschmäht mich.
    Seit Tagen klötern die Liebeskugeln in mir. Ich sitze schon wie Biolek, ein weißer Kunststoff-Faden hängt aus mir heraus wie aus einer 70er-Jahre-Stehlampe. Ich weite mich und weite mich. Ein Rettich hätte Platz in meinem Rektum. Ein BVG-Bus könnte bequem in meiner Möse parken. Come in and find out. Ich bin innen groß, weit, hohl. Ein Kugellager, eine weltweit gesuchte Sextoy-Schmugglerin, ein waghalsiges Experiment an meiner Umwelt, eine Zeitbombe.
    Ich spüre meine Eingeweide. Wer seinen Kopf gegen die Wand donnert, verbraucht 150 Kalorien in der Stunde. Ich spüre meinen Herzschlag. Das menschliche Herz schlägt im Jahr 42 Millionen Mal. Mein Herz baumelt lose im Rippenkäfig. Bei jeder klappenden Wagentür stürze ich zum Fenster. Bei jeder Bewegung vibrieren die Kugeln. Zwischen 19 und 21 Uhr halten acht Taxis vor meinem Haus. Valmont, meine Pracht, meine Herrlichkeit, ist nicht dabei. Er verbirgt sich auch nicht hinter jenen wehenden Mantelschößen dort hinten. Ich erschieße den Typ mit dem Mantel. Er ist auch nicht der große Mann mit Hut drüben auf der anderen Straßenseite. Ich erschieße den Mann mit dem Hut. Heroisch! Todesmutig! Tollkühn! Kriegerisch! Kämpferisch! Ein Flintenweib,randvoll mit Liebeskugeln. Ich schlucke noch sechs Valium. Bin unfähig, mich abzulenken, Zeitung zu lesen, fernzusehen. Ich sehe die Schrift, ich sehe die Bilder, aber kann nichts verstehen, nichts erkennen, nicht mal meine Breitling Kosmonaut.
    Wieso sehen wir uns gezwungen, immer nur die zu jagen, die uns entfliehen wollen? Warum verdammt hat
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