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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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beobachtete sie mich und wartete, bis ich schließlich den Kopf schüttelte. „Schon besser“, lobte sie. „Mein Name ist Osira. Folge mir jetzt. Hier gibt es einen Spiegel, den du dir ansehen solltest.“
    Sie schien zu wissen, wo wir waren und wo wir hin mussten. Ich dagegen kam mir fremd und befangen vor. Bei dem Spiegel handelte es sich um einen vier Meter hohen und zwei Meter breiten schwarzen Onyx. Seine Oberfläche war poliert, so dass ich mich darin sehen konnte. Osira stieß mit ihrer Schnauze dagegen, woraufhin sich Wellen ausbreiteten, wie bei einem See, in den man einen Stein geworfen hat. Langsam wurden die Wellen zu Bildern, und schließlich konnte ich die Bilder klar erkennen.
    Ich sah Großmutter und mich im Wald. Mein Gesicht spiegelte Angst wider, während ihres eine Maske von Hass und Wut war. Sie brüllte mich an, mit wildem Blick und deutete mit dem Finger auf mich. Als nächstes stand ich allein in einer Straße, die ich nicht kannte und schaute zu einem großen Haus hinüber, das hinter hohen Mauern lag und eine merkwürdige Energie ausstrahlte. Armand tauchte neben mir auf. Er wies zu diesem Haus hinüber, also ging ich darauf zu. Die Oberfläche des Onyx kräuselte sich abermals, die Vision war vorbei. Als die Wellen sich glätteten, sah ich nur noch mein Spiegelbild und das meiner Wölfin.
    „Ich will noch mehr sehen“, flüsterte ich.
    „Ich weiß, aber nicht heute. Lerne erst langsam, damit umzugehen. Und denk daran, ich bin immer da. Du brauchst mich nur zu rufen.“
    „Ja, Osira“, hörte ich mich sagen und trat dann einem Impuls folgend in den Spiegel hinein.
    Ich erwachte am Rand von Bylden Wood. Das Amulett um den Hals, den Kelch in der Hand. Großmutters Amulett lag neben mir im Gras. Die Abenddämmerung setzte ein.

Wer mit dem Feuer spielt
     
    Ich öffnete die Fenster, um die kühle Nachtluft hereinzulassen, damit sie nach der Traumreise meinen Geist klären konnte. Sie strich über meine vom Duschen noch feuchte Haut. Draußen leuchtete ein fast voller Mond vom klaren Himmel. Ich zündete die beiden großen Kerzen an, knipste das elektrische Licht aus. Dann stellte ich mich vor den Spiegel und begann, meine nassen Haare zu entknoten. Wieder hörte ich Armand nicht kommen. Aber als seine Stimme erklang, durchfuhr es mich wie ein elektrischer Schlag.
    „
Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst. Dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst
.“ Er kam langsam näher, ich sah seinen Schatten bereits im Spiegel. „
Die Luft ging durch die Felder, die Ähren wogten sacht. Es rauschten leis’ die Wälder, so sternklar war die Nacht
.“ Er stand jetzt hinter mir und hielt mir eine rote Rose vors Gesicht. Zögernd nahm ich sie, woraufhin er seine Hände sanft auf meine Schultern legte und mir im Spiegel tief in die Augen schaute. „
Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus. Flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus
.“
    Er lächelte mich warm und liebevoll an.
    „Das ist wunderschön. Haben Sie das geschrieben?“
    „Zuviel der Ehre. Nein, ich möchte mich nicht mit fremden Federn schmücken. Joseph Freiherr von Eichendorff hat dieses Gedicht geschrieben. Das war, glaube ich, 1837. Ein bemerkenswerter Mann. Er hat den Mond sehr geliebt.“
    „Das kann ich gut verstehen.“
    „Dann lieben Sie den Mond auch?“
    „Ja, sehr. Es beruhigt mich, zu sehen, dass Luna über mich wacht.“
    „Ah, Luna. La grande mère. Ich denke, Eichendorff hat den Mond mit anderen Augen gesehen. Aber nicht minder verehrt.“
    „Ich hätte Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie so romantisch sind“, gestand ich und atmete den Duft der Rose tief ein. Ein leises Lachen war die Antwort. Noch immer sahen wir im Spiegel einander an.
    „Ich bin Franzose, chérie. Franzosen sind immer romantisch.“ Er drehte mich zu sich herum, spielte mit einer feuchten Haarsträhne, fuhr die Linie meiner Wangenknochen nach, bis zu meinem Kinn. „Ganz besonders, wenn wir uns in Gegenwart einer so bezaubernden Frau befinden. Sie sind so schön, dass es fast schon weh tut.“
    Armand streichelte meine Wange, rieb mit dem Daumen sacht über meine Lippen, und ich schloss die Augen. Vampir hin oder her, ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Meine Finger glitten am Stiel der Rose entlang. Ganz plötzlich stach ich mich an einem der Dornen. Erschrocken zog ich meine Hand zurück, sah zu, wie ein einzelner Blutstropfen aus der winzigen Wunde quoll. Ich wehrte mich nicht, als
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