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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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irgendwann, mon amour. Der Tod kennt auch keine Gnade. Warum also sollte ich gnädig sein?“
    Ich wandte mich ab, und Armand hielt mich nicht fest. Es war ein Fehler gewesen, ein solches Gespräch zu beginnen. Aber jetzt war es zu spät.
    „Es ist trotzdem nicht dasselbe. Sie suchen sich Ihre Opfer gezielt aus, nicht willkürlich, wie der Tod selbst es tut.“
    „Das ist nicht richtig. Ich suche nicht gezielt nach diesem oder jenem. Ich gehe auf die Jagd. Und jeder, der mir dabei begegnet, kann mein Opfer werden. Oder eben auch nicht, wenn es nicht reizvoll genug ist.“
    „Reizvoll?“
    Er kam mir wieder nah. Die Augen schmale Schlitze, in denen es gefährlich aufblitzte. Ein plötzlicher Windstoß löschte die Kerzen. In der Dunkelheit leuchtete sein Gesicht unheimlich, umrahmt von der pechschwarzen Seide seines Haares. Er erschien mir wie ein Teufel – aber einer, dem ich nicht widerstehen konnte, so groß meine Furcht auch war.
    „Ah oui, ma chère“, flüsterte er so leise, dass seine Stimme mehr ein Schauer durch meinen Körper war, als dass ich sie wirklich hörte. „Es muss doch ein Reiz dabei sein, finden Sie nicht? Sonst wäre es nicht interessant.“
    Seine Augen glühten, während er mich fixierte. Ich wich einen Schritt zurück. „Und was genau finden Sie interessant?“
    Er schmunzelte. Sein Gesichtsausdruck erinnerte an einen schmeichelnden Dämon. „Das kommt ganz darauf an, worauf ich Hunger habe.“ Noch einmal musste ich schlucken, aber meine Kehle war so trocken, dass es mir schwer fiel. Unbeirrt fuhr er fort, während er sich mir langsam weiter näherte. Seine Stimme war kaum hörbar, doch ich verstand jedes Wort überdeutlich. „Es kann eine abgrundtief böse Seele sein. Ein Dieb, ein Dealer, ein Mörder, ganz egal. Jemand wirklich Schlechtes, der charakterliche Abschaum der Gesellschaft sozusagen.“ Er neigte den Kopf zur Seite, während er fortfuhr. Sein Gesicht bekam einen Ausdruck vagen Staunens, so als könne er selbst kaum glauben, was er sagte. „Oder aber die reine Unschuld. Ein Herz voller Liebe und Güte, wie das einer Nonne oder einer Mutter. Oder ein von Gram und Trauer geplagter Geist. Ein Bettler, ein Obdachloser oder ein einsames Kind.“ Er machte eine Geste des Bedauerns und schaute so unschuldig, wie die Gesichter der Heiligen in einer katholischen Kirche. „Wie gesagt, es kommt ganz darauf an.“
    Er stand jetzt direkt vor mir, sein geruchloser Atem streifte mein Gesicht. Ich bebte am ganzen Körper.
    „Bitte töten Sie mich nicht!“, brachte ich mühsam hervor. Ich konnte seinem Blick nicht länger standhalten. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass er es zumindest in Erwägung zog. Und ich wollte ihn dabei nicht ansehen müssen. Aber seine Haltung änderte sich. Er drehte kurz den Kopf in Richtung Spiegel, und die beiden Kerzen flammten auf; tauchten den Raum in ein warmes, sanftes Licht. Er war wieder der charmante, scheinbar ungefährliche Gentleman. Seine kühlen Finger streichelten mein Gesicht wie der Hauch eines Windes.
    „Ich werde Sie niemals töten, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Warum also haben Sie solche Angst vor mir?“
    „Eigentlich fürchte ich mich gar nicht so sehr vor Ihnen, Monsieur, sondern nur vor Ihren Zähnen.“
    Jetzt war er es, der lachte, aber nicht nervös, sondern ehrlich belustigt. „Dabei haben Sie sie noch nicht ein einziges Mal gespürt. Glauben Sie mir, es ist nicht halb so furchtbar, wie Sie denken. Aber ich werde jetzt nicht den Beweis dafür antreten. Sie brauchen noch Zeit.“
    Am nächsten Tag probierte Grandma mit mir alles Mögliche aus, um zu sehen, wo meine Talente lagen. Es lenkte mich ab von dem, was die Göttin gesagt hatte, von der Vision im Spiegel. Und auch von dem Gespräch mit Armand, das einen eisigen Knoten in meinem Magen hinterlassen hatte.
    Grandma fand es nicht schlimm, dass das Pendel in meiner Hand nicht ausschlagen wollte. Stattdessen freute sie sich darüber, dass ich ihren alten Kupferkessel für zehn Sekunden in der Luft halten konnte, bevor er mit ohrenbetäubendem Geschepper zu Boden fiel. Zum Glück war er robust und trug nicht allzu viele Beulen davon. Mit einer Glasvase wollte ich das aber lieber nicht versuchen.
    Sie gab mir ihre geweihten Tarotkarten in die Hand und ermutigte mich, einen Blick in meine Zukunft zu werfen. Ich dachte an Armand. An seinen Blick, den ich bis in meine Seele gespürt hatte. Unsicher hielt ich die Karten in der Hand. Zweifelnd, ob ich wirklich einen
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