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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer
Autoren: Aufbau
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wieder zurückgekehrt, nur unterbrochen von einer unschönen Begegnung mit Schlabberhosen-Hannes – er schien diese Trainingshose täglich zu tragen! Er hatte geklingelt, um sie mit gewohnt ernster Miene aufzufordern, die Musik leiser zu stellen. Zwar hatte er dabei irgendwie zerknirscht gewirkt, als sei es ihm unangenehm, sie darum zu bitten, aber das machte es auch nicht besser. Er sollte sich bloß nicht einbilden, er könne sie nach seiner Pfeife tanzen lassen.
    Am Nachmittag hatte sie das schöne Wetter für einen ersten Erkundungsspaziergang genutzt. Gleich hinter dem Grundstück erreichte sie den Schilfgürtel des Kleinen Jasmunder Boddens. Es ging kaum ein Wind, so dass die Halme nur selten ein flüsterndes Rascheln hören ließen. Das Wasser lag glatt wie ein Spiegel und glitzerte, dass es in den Augen wehtat. Deike war einen kleinen Sandweg entlanggeschlendert. Einmal war sie stehen geblieben und hatte ganz tief eingeatmet. Herrlich, das war Ferienluft! In Berlin und Frankfurt roch es immer ein bisschen nach Abgasen. So klare Luft wie hier kannte sie nur noch aus dem Urlaub.
     
    »Guten Morgen, herzlich willkommen auf Rügen!« Andrea, eine große schlanke Frau, deren gewölbter Bauch auf den ersten Blick verriet, warum sie die Redaktionsleitung demnächst für längere Zeit aufgeben würde, begrüßte Deike zu ihrem ersten Arbeitstag. »Hast du dich schon ein bisschen eingelebt?«
    »Na ja, ich bin ja vorgestern erst angekommen. Das wird wohl noch ein Weilchen dauern.«
    »Klar. Am besten liest du erst mal ganz in Ruhe unsere letzten Ausgaben. So erfährst du einiges über die Insel und siehst gleich, wo in unserem Heft die Schwerpunkte liegen und welche Anzeigenkunden für uns wichtig sind. Apropos Anzeigenkunde: Du hast nachher eine Verabredung mit M.«
    »M.?«
    »Alle nennen ihn so. Frag mich nicht, warum. Er hat ein Hotel und betreibt eine Therme mit Heilquellen. Und er schaltet in jeder Ausgabe ganzseitige Anzeigen.« Andrea warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. »In zwei Wochen nimmt er ein neues Salzwasserbecken in Betrieb, das sollst du vor der Eröffnung schon mal kennenlernen.«
    »Ich soll baden gehen?«
    »Klar, sonst kannst du schließlich nicht darüber schreiben.«
    »Super!« Deike strahlte. Gut, nach einer riesigen Badelandschaft hörte sich das nicht gerade an, aber doch nach einem netten Termin.
    »Anschließend werdet ihr zusammen essen. Dann kannst du M. Fragen stellen. Wenn du zu Wort kommst«, fügte sie hinzu und rollte grinsend mit den Augen. »Er kennt die Insel besser als seine Westentasche und wird dir bestimmt jede Menge erzählen.«
    Deikes Laune hätte nicht besser sein können. Während der bezahlten Arbeitszeit im Wasser dümpeln, bis die Haut ganz runzelig wird, und dann eine Einladung zum Essen, das war nicht übel für den ersten Tag.
     
    Die Stunden flogen nur so dahin. Deike arbeitete die letzten vier Ausgaben von
Rügen aktuell
durch, ließ sich die Büroordnung erklären, und dann musste sie auch schon los, um ihre Badesachen zu holen und pünktlich in der Therme zu sein.Die lag nur wenige Schritte vom breiten Strand der Prorer Wiek entfernt. Sie war ein paar Minuten zu früh und nutzte die Zeit, um sich umzusehen. Alle Achtung, mit einem solchen Strand hatte sie nicht gerechnet. Er war ungeheuer lang und feinsandig. Unzählige Muscheln knirschten unter ihren Schuhen. Sie blieb stehen und betrachtete die Steilküste der Frankenberge. Dahinter musste Sellin mit seiner Seebrücke liegen, von der Natty so geschwärmt hatte. Deike war fasziniert. Sie dachte an die langen Strände im Süden von Fuerteventura, die sie sehr mochte. Einzig die fiesen Hotelklötze hatten sie dort schwer gestört, die einem den ganzen herrlichen Blick verdarben. Hier gab es auf der einen Seite die Ostsee, die an diesem kühlen windigen Tag kraftvoll auf den Sand klatschte, und auf der anderen Seite hohe Kiefern, hinter denen sich sämtliche Gebäude verstecken konnten. Genau das würde sie in ihrem ersten Artikel für
Rügen aktuell
schreiben, beschloss sie, während sie sich beeilte, pünktlich zu ihrem Termin zu kommen.
     
    Wenig später ließ sie sich auf dem Rücken durch das runde Solebecken, das Herzstück eines gläsernen Pavillons, treiben. Das warme Wasser war herrlich. In dem dünnen Blazer, den sie im Hinblick auf das Abendessen mit M. gewählt hatte, war es am Strand ziemlich kalt gewesen. Sie schloss die Augen und freute sich darüber, dass sie nach dem Gespräch mit
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