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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer
Autoren: Aufbau
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Bergener Ortsteil Streu sein, im Osten der Insel.«
    »Ja, genau«, stimmte sie zu, und ihr wurde flau im Magen.
    Er lachte. »Sie sind aber im Westen, Fräulein, in Streu bei Schaprode.«
    »Das darf doch nicht wahr sein. Sie wollen mir weismachen, dass es zwei Orte mit diesem albernen Namen gibt?«
    »Jo!«
    »Ich muss also wieder zurück bis nach Bergen?«
    »So isses!«
    Deike ließ den Kopf hängen.
    »Trösten Sie sich, Fräulein, Sie sind nicht die Erste, der daspassiert.« Er strahlte sie an. »Früher, als es diese Navigationsdinger noch nicht gab, da war selten einer so dusselig, sich zu verfahren. Aber jetzt haben wir das hier andauernd.«
    Deike murmelte einen Abschiedsgruß und balancierte durch den Kies zurück. Getröstet fühlte sie sich ganz und gar nicht. Zu allem Überfluss fing es auch noch zu nieseln an.
     
    Nach noch einmal vierzig Minuten und zwei Stopps, bei denen sie nach dem Weg hatte fragen müssen, erreichte sie einen holprigen Sandweg. Während sie im Schritttempo zwischen den Schlaglöchern Slalom fuhr, fürchtete sie ständig, dass der schwer beladene Kastenwagen jeden Moment aufsetzen würde.
    »Die Doppelhaushälfte ist top in Schuss. Die wird dir gefallen«, hatte ihr Vater gesagt. Jetzt stand Deike vor Haus Nummer fünf, einem reetgedeckten Gebäude mitten im Nichts. Acht Häuser gab es in diesem Nest, acht! Sie musste dringend ein Wörtchen mit ihrem Vater reden. Hätte er ihr nichts in Bergens Zentrum besorgen können, direkt bei der Redaktion? Sie konnte nicht fassen, dass sie in völliger Einsamkeit und dann auch noch in so einer alten Kate wohnen sollte. Kein Wunder, dass die Miete billig ist, schoss es ihr durch den Kopf.
    Das L-förmige Haus hatte zwei Eingänge, der rechte gehörte zu ihrer Haushälfte. Sie fingerte blind an der Innenseite der Reetenden über der Tür herum, wo der Vermieter den Schlüssel hinterlegt haben sollte. Plötzlich spürte sie einen kleinen Knubbel, der sich löste und in ihren Ärmel fiel. Der Knubbel hatte es offenbar sehr eilig, den Ausgang zu suchen. Deike spürte etwas krabbeln und schrie auf. Sie griff mit spitzen Fingern nach ihrem Ärmel, schüttelte ihn und ihren ganzen Körper, bis eine Spinne zu Boden fiel und das Weite suchte.
    »Wie eklig!«, stieß Deike aus und atmete schwer.
    Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, sah sie sich um. Hoffentlich hatte sie niemand gesehen. Hektisch herumhopsend dürfte sie ein ziemlich komisches Bild abgegeben haben. Nein, die Vorhänge der anderen Haushälfte waren alle zugezogen, und auch sonst war da niemand weit und breit. Deike lugte unter das Dach, entdeckte den Schlüssel und betrat ihr neues Zuhause.
     
    Der Anblick des Innenlebens versöhnte sie ein wenig: dunkelrote Fliesen, helle grob verputzte Wände, eine helle Küche und ein rot-weiß gefliestes Bad, alles modern und gemütlich. Auch die Möbel gefielen ihr. Sie hatte nur ihr eigenes Bett, die Truhe ihrer Urgroßmutter, die bisher jeden Umzug mitgemacht hatte, und ihren Schreibtisch mitgebracht.
    »Dann wollen wir mal«, murmelte sie, zupfte die kurzen blond gesträhnten Haare vor dem Spiegel zurecht und zog ihre Lippen nach. Sie schnappte sich eine Flasche Champagner, die sie in der großen Umhängetasche parat hatte, ging zur Tür ihrer direkten Nachbarn und klingelte. Keine zwei Atemzüge später ging die Tür auf, als hätte der Bewohner schon dahinter gelauert. Deike sah an dem großen Mann mit dem blonden, schon etwas schütteren Haar herunter. Er trug ein verwaschenes Shirt, das einmal kräftig blau gewesen sein mochte, eine schlabberige Trainingshose und derbe Wollsocken. Ein hinterwäldlerischer Inselschlumpf, wie er im Buche steht!
    »Hallo, ich bin Deike und wohne jetzt hier.« Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf.
    »Moin!« Er sah sie aus ernsten grauen Augen an. Wenn man mal von dem ausgeblichenen Shirt und den aus der Form geratenen Beinkleidern absah, war der Typ eigentlich ganz attraktiv.
    »Also, genau genommen wohne ich noch nicht hier, sondern bin gerade erst im Begriff einzuziehen.« Ihr Lächeln wurde zu einem umwerfenden Strahlen. »Ich habe ein kleines Begrüßungsgeschenk mitgebracht.« Sie wedelte mit dem Schampus. »Und ich wollte Sie um den winzigen Gefallen bitten, mir eben beim Ausladen zu helfen«, flötete sie und deutete auf den Kastenwagen, der direkt vor dem Grundstück stand. Diese Masche hatte in Berlin und Frankfurt wunderbar funktioniert. Warum sollte das hier anders sein? »Es ist nicht
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