Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
viel, der Rest kommt mit einem Umzugsunternehmen nach.«
    Der Mann ignorierte die ausgestreckte Hand mit der teuren Flasche. »Das passt mir eigentlich gar nicht«, knurrte er und blickte unsicher hinter sich, als ob dort gleich eine keifende Ehefrau auftauchen könnte. Oder vielleicht wohnte er noch mit seinen Eltern zusammen, unter deren Pantoffel er stand.
    »Okay, wenn es nicht viel ist, packe ich kurz mit an. Ich ziehe mich nur eben um.« Damit schloss er die Tür vor Deikes Nase. Völlig perplex stellte sie den Champagner neben einem Blumenkübel ab und ging zum Auto.
     
    Der Inselschlumpf war schnell zur Stelle. Er trug jetzt Jeans und Turnschuhe zum T-Shirt und sah schon viel besser aus.
    »Wollen Sie sich keine anderen Schuhe anziehen?«, fragte er und betrachtete skeptisch Deikes hochhackige Stiefel.
    »Nein, nein, die sind total bequem.« Als sie seinen zweifelnden Blick sah, fügte sie schnell hinzu: »Und sehr robust!«
    Kein Kommentar. Er schnappte sich den ersten Karton, nahm die beiden Stufen vor dem Haus mit einem Schritt und verschwand in ihrer Haushälfte. Deike hatte gerade erst einen der Kartons von der Ladefläche gewuchtet, da war er schon zurück. Sie hatte Mühe, das Gewicht allein zu schleppen. Aufder feuchten Treppe rutschte sie aus und knickte auch noch um. Glücklicherweise konnte sie sich abfangen, ohne die Umzugskiste fallen zu lassen. Ihre Blicke trafen sich, doch er ersparte ihr eine Bemerkung.
    Es dauerte keine halbe Stunde, bis der Wagen leer war.
    »Brauchen Sie Hilfe beim Aufbauen der Möbel? Ein paar Minuten Zeit hätte ich wohl noch.«
    »Das wäre toll. Danke!« Damit hatte sie gar nicht gerechnet.
    »Okay, bin gleich wieder da.« Er verschwand wieder in seiner Haushälfte und schloss die Tür hinter sich. Die Flasche Champagner, die noch immer am Blumenkübel stand, ignorierte er. Komischer Kauz.
    Diesmal dauerte es länger, bis er zurück war. Er hatte einen kleinen Werkzeugkoffer dabei.
    »Zuerst das Bett«, verkündete Deike fröhlich. »Ich bin todmüde von der langen Fahrt. Ich dachte schon, ich komme gar nicht mehr an. Und dann bin ich auch noch falsch gefahren«, plapperte sie unbekümmert gegen seine Schweigsamkeit an. »Wussten Sie, dass es zwei Orte auf der Insel gibt, die Streu heißen?«
    »Ja.«
    »Natürlich, Sie wohnen ja hier.« Meine Güte, der Mann hatte entweder schrecklich schlechte Laune oder war ein Griesgram erster Güte.
    Während sie redete, machte er sich an die Arbeit.
    »Halten Sie mal hier fest.« Sein Akku-Schrauber surrte. Plötzlich war von nebenan ein hoher Ton zu hören. Er horchte kurz auf, sein Gesicht wurde noch ernster.
    »Was war das?«, wollte Deike wissen.
    Er antwortete nicht, sondern arbeitete noch ein wenig schneller weiter. In null Komma nichts war das Bett aufgebaut.
     
    Der Ton von drüben wurde lauter, es klang fast wie ein Jammern. Ob er eine junge Katze oder einen kleinen Hund hatte?
    »Ich muss los«, sagte er und packte auch schon sein Werkzeug zusammen.
    »Klar, kein Problem, den Rest schaffe ich allein. Vielen Dank für die Hilfe!« Sie streckte ihm die Hand hin.
    Er zögerte, dann griff er sie und drückte sie kurz und kräftig.
    »Wenn ich mich irgendwie revanchieren kann …«, setzte Deike noch hinzu, als er schon fast zur Tür hinaus war.
    Er blieb stehen, drehte sich noch einmal um und sah sie von oben bis unten an.
    Sie merkte, dass sie verlegen wurde, und das passierte ihr wirklich nicht oft. Aber dieser Typ brachte sie irgendwie durcheinander.
    »Wie heißen Sie überhaupt?«, fragte sie hastig.
    »Hannes.« Damit war er an seiner Haustür.
    »Ich bin Deike«, rief sie und ärgerte sich im nächsten Moment. Sie hatte sich schließlich schon vorgestellt, wie es sich unter zivilisierten Menschen gehörte.
    »Fahren Sie das Auto da weg«, kommandierte er, bevor er wieder hinter seiner Tür verschwand, und deutete mit dem Kopf auf ein kleines Rasenstück, das an drei Seiten von einem Jägerzaun eingefasst wurde. »Ihr Stellplatz ist der rechte.« Ohne einen Gruß schlüpfte er rasch ins Haus.

2.
    Als Deike am übernächsten Morgen zum ersten Mal ins Büro nach Bergen fuhr, hatte sie sich mit ihrem Wohnort bereits angefreundet. Der Nieselregen, der ihr die Laune bei ihrerAnkunft verhagelt hatte, war einer milden Aprilsonne gewichen. Deike hatte alle Fenster geöffnet und laut Musik gehört, während sie ihren Schreibtisch montiert, die Bücher und ihre Kleidung eingeräumt hatte. Ihr Optimismus war tatsächlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher