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Rückkehr nach Wedenbruck

Rückkehr nach Wedenbruck

Titel: Rückkehr nach Wedenbruck
Autoren: Tina Caspari
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an und zeigte mit einem leisen Fauchen sein zierliches Raubtiergebiss .
    Bille lächelte. „Ja, ich sehe schon, du bist ein großer, gefährlicher Held! Wie heißt du denn?“
    Mirko kam näher. „Wir haben ihm noch keinen Namen gegeben. Der Kleine muss lange herumgestreunt sein, ehe er hier landete. Er war in einem erbärmlichen Zustand, nur noch Haut und Knochen, das Fell verdreckt, die Augen entzündet, Durchfall. Bettina hat ihn als Erstes zum Tierarzt geschleppt.“
    „Und dann hat er sich Zottel zum Schlafplatz auserkoren?“
    „Eher umgekehrt. Zottel hatte ihn von der Koppel mitgebracht. Ich denke, irgendwer hat Zottel mal wieder trockenes Brot oder Kekse zugesteckt, und davon hat der Kleine sich, ausgehungert wie er war, ein paar Brocken geschnappt. Bei der Gelegenheit hat er wohl festgestellt, wie warm und weich es sich auf Zottels Rücken schlafen lässt“, berichtete Mirko amüsiert. „Jedenfalls kam er hier reingeritten, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Und was den Namen betrifft: Wir dachten, du wirst ihm selber einen geben wollen.“
    „Oh ja! Armer Kerl, was muss er in seinem kurzen Leben schon alles durchgemacht haben! Mir wird ganz elend, wenn ich daran denke. Sicher ist er ausgesetzt worden ...“
    Der kleine Kater hatte sich bei dem ruhigen, weichen Klang von Billes Stimme wieder entspannt und lag jetzt wie eine Sphinx mit halb geschlossenen Augen blinzelnd auf dem breiten, mit kuscheligem Winterfell bewachsenen Hinterteil von Zottel.
    „Er muss einen Glück verheißenden Namen bekommen, als Zeichen, dass es ihm von jetzt an immer gut gehen soll“, murmelte Bille und dachte darüber nach, während sie das Katerchen vorsichtig hinter den Ohren kraulte. „Wie wär’s mit Felix?“
    „Ich finde, Felix passt spitze zu ihm!“, meldete sich Rita, eine der Bereiterinnen , zu Wort, die in der Box gegenüber ein Kundenpferd sattelte. „Das klingt so fröhlich und selbstbewusst . Schau ihn doch an, wie er da sitzt: wie ein kleiner Prinz.“
    „Möchtest du Felix heißen?“ Bille nahm den jungen Kater auf den Arm und sah ihm in die Augen. Der hatte nun alle Scheu verloren und schmiegte schnurrend sein Köpfchen in ihre Hand. „Es gefällt dir? Okay, Felix. Leider musst du jetzt eine Weile auf deinen gemütlichen Thron verzichten, ich will Zottel satteln. Weißt du, heute habe ich noch frei, und an meinem ersten Tag möchte ich mit meinem besten Freund zusammen sein und mit ihm ein bisschen spazieren reiten.“ Bille setzte den Kleinen liebevoll am Rand der Krippe ab. „Weiß meine Mutter schon, dass es ihn gibt?“, erkundigte sie sich.
    „Ich glaube, deine Schwester Inge hat sie darauf vorbereitet, dass du ihn vermutlich mit nach Hause nehmen möchtest. Inge war öfter hier, weil euer Shetty , der Moischele , ja nun auch bei uns im Stall steht“, berichtete Mirko. „Der kleine Krischan hat hier regelmäßig Reitunterricht bekommen, da war das praktischer.“
    „ Moischele , den hab ich noch gar nicht begrüßt! Ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll mit dem Wiedersehenfeiern. Gestern Abend hab ich fast einen Marathonlauf durch sämtliche Boxen in Groß-Willmsdorf gemacht, um bloß keinen auszulassen! Wo ist Moischele ?“
    „Im Moment in der Halle. Anke longiert ihn gerade“, berichtete Rita. „Seine Box ist die neben Panjas. Da sind die drei Unzertrennlichen dicht beisammen. Auf die Koppel tun wir sie auch immer gemeinsam, das spart Arbeit. Dann brauchen wir nur ein Tor ausbruchssicher zu machen.“
    „Und das ist euch gelungen?“, fragte Bille kichernd.
    „Bis jetzt - ja.“ In Mirkos Stimme schwangen deutliche Zweifel mit, was die Zukunft betraf.
    „Na, schließlich wird man ja auch älter und vernünftiger, hab ich Recht, Zottel?“, verteidigte Bille ihren Freund.
    Der vermied sie anzusehen, sein Blick wanderte zur Decke hinauf, als müsse er prüfen, ob die Schwalben schon zurückgekehrt wären. Wenn er könnte, würde er vermutlich die Lippen spitzen und pfeifen, dachte Bille grinsend, während sie Zottel auf die Stallgasse hinausführte, um ihn zu satteln.
    Wenig später trabte sie auf dem Rücken ihres geliebten Ponys der Ostsee entgegen. Es war ein milder, wolkenverhangener Tag, der Wind hatte sich gelegt, und auch der Nieselregen schien ihr zuliebe eine Pause zu machen. Die Feldwege allerdings waren aufgeweicht. Zottel rutschte ein paarmal seitlich weg, deshalb ließ Bille die Zügel lang, und er trottete im Schritt ihrem Ziel entgegen.
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