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Rückkehr nach St. Elwine

Rückkehr nach St. Elwine

Titel: Rückkehr nach St. Elwine
Autoren: Britta Orlowski
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Seine Gedanken begannen bereits durcheinander zu stolpern. Er dachte plötzlich an Nicolas und dann wieder an Liz. Daran, wie sehr er sie liebte und wie tief es ihn betrübte, dass sie das, was nun kam, mit ansehen musste. Seine Kraft verließ ihn jetzt endgültig. Es erschien ihm unmöglich abzuwarten, bis die Rettungskräfte ihn erreichen konnten. Die Finger seiner Hand öffneten sich wie von selbst und rutschten ab.
    Als Marc zu schreien begann, setzte Elizabeths Herzschlag aus.
     
    „ Was hast du getan, George? Was hast du getan?“
    Jenny verlor zum ersten Mal in ihrem Leben die Fassung.
    „ Ist dir überhaupt klar, dass du in Kauf genommen hast, dass Menschen zu Schaden kommen oder gar den Tod finden? Es sind Kinder darunter, mein Gott.“
    George saß noch immer völlig erstarrt am Sekretär in der Bibliothek, jenem Raum, den er so liebevoll restauriert hatte. Was war er nur für ein verdammter Narr gewesen. Doch jetzt kam diese Einsicht viel zu spät.
    Alles, aber auch alles, was er sich so hart erkämpft hatte, hatte er aufs Spiel gesetzt. Die Liebe seiner jungen, schönen Frau, das gemeinsame Glück mit ihrem noch ungeborenen Kind, nur um seinem Erstgeborenen einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen. Um Marc vor Augen zu führen, dass es an der Zeit war, endlich erwachsen zu werden. Sich dem Einfluss seiner dominierenden Mutter zu entziehen, eigene Entscheidungen zu treffen, statt sich von seinem besten Freund leiten zu lassen.
    Dabei hatte er einen fatalen Fehler begangen, wie sich George immer wieder eingestand. Denn egal, für wie falsch er Marcs Lebensweise auch hielt, so hatte dieser doch niemandem Schaden zugefügt - weder unbewusst, geschweige denn erst wissentlich. Dazu hätte sich Marc niemals hinreißen lassen und genau darin lag seine Stärke. Ein Jammer, dass er das erst mit dem heutigen Tag begriff. Er hatte einen wunderbaren, sensiblen Sohn und es tat erstaunlich weh zu begreifen, wie viele Gelegenheiten er als Vater hatte verstreichen lassen, um Marc das zu sagen und ihm damit zu zeigen, wie stolz er eigentlich auf ihn war. Denn mit einem Mal erkannte George, dass sein Sohn sich nur auf all diese waghalsigen Sportabenteuer eingelassen hatte, umso die Aufmerksamkeit, die er gebraucht hatte, einzufordern. Zum ersten Mal im Leben gestand sich George jetzt ein, was für ein erbärmlicher Vater er gewesen war. Er hatte auf der ganzen Linie versagt.
    Sein Blick richtete sich auf die alte Pendeluhr. Ein wunderschönes Stück aus der Zeit des Jugendstils. Die Zeiger bewegten sich im gleichmäßigen Tick - Tack. Er schätzte, dass ihm allerhöchstens noch zwei Stunden blieben, bis die Leute der Maryland State Police hier eintrafen, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Zwei lächerliche Stunden, in denen er von seiner Frau, von seinem wunderschönen Haus und seinem ganzen bisherigen Leben Abschied nehmen musste und zwar für eine, wie er wusste, sehr, sehr lange Zeit.
     
    Elizabeth stand wie erstarrt, unfähig auch nur den kleinsten Muskel zu bewegen. Während Marc, der neben ihr stand, laut schluchzend in Tränen ausbrach.
    Normalerweise hätte er es gehasst, in aller Öffentlichkeit zu weinen. Das erlaubte er sich höchstens auf Beerdigungen und selbst da zog er es vor, seine Augen hinter dunklen Brillengläsern zu verstecken. Doch jetzt war ihm all das völlig gleichgültig. Sein bester Freund war gerade vor allen Augen in die Tiefe gestürzt und rührte sich nicht mehr.
    Elizabeth schob ihre Hand in seine. Es schien unmöglich klar auszumachen, wer sich von den Beiden an wen klammerte.
    Zimmerman war bereits bei Josh und kniete nieder. Liz sah ihn in seinem Notarztkoffer hantieren und da ihr seine routinierten Griffe mehr als vertraut waren, fand sie endlich ihre Fassung wieder. Sie musste unbedingt in Erfahrung bringen, wie es um Joshua stand. Gleichzeitig fürchtete sie sich davor, der Wahrheit ins Auge zu blicken.
    Zimmermans Miene war undurchdringlich. Das machte es ihr unmöglich, etwas daraus abzuleiten. Ihr Herz begann wild zu klopfen. In ihren Ohren erklang jenes Echo, das Pulsieren des eigenen Blutes, übernatürlich laut.
    Sie und Marc hielten sich noch immer umklammert und da ihr vor der Realität graute, zog sie ihn jetzt mit sich, damit keiner von ihnen allein war, wenn Zimmerman seine Diagnose stellte. Während dessen betete sie mit der ganzen Kraft ihres Herzens. Wenn Gott ihn nur am Leben ließe und sei er noch so schwer verletzt oder für immer gelähmt, würde sie alles für
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