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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos
Autoren: Beate Baum
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Haarsträhne aus der Stirn. Hatte ich noch weniger mitbekommen, als ich dachte?
    »Die der Dresdner Lokalredaktion.« Seine grünen Augen fixierten meine.
    »Was? Das gibt’s doch nicht! Bist du deshalb hier? Hat jemand angerufen und sich beschwert?« Ich war außer mir.
    »Nein, natürlich nicht. Jetzt drehst du wohl wirklich durch.« Andy schloss kurz die Augen. »Ich bin hier, weil es mir wieder besser ging und ich was machen wollte. Aber die Inbrunst, mit der Ingeborg mich begrüßt hat, kam mir verdächtig vor. Da hab ich nachgehakt.«
    »Ach, und da hat sie sich bei dir ausgeheult. Dabei sind die alle«, wütend deutete ich mit meinem Kinn in Richtung der Redaktion, »von dir ganz was anderes gewohnt.«
    »Gut möglich. Aber von dir eben nicht. Also: Was ist los?«
    »Was los ist? Der alte Mann, der gestern gestorben ist.« Ich schaute ihn herausfordernd an. Vermutlich hatte er unser Gespräch darüber überhaupt nicht mitbekommen. »Er war der Opi, der so oft hier war und irgendwas zu berichten hatte.«
    Andreas nickte. »Der Querulant?«
    Ich zog eine Grimasse. »Ja, genau der. Er war anscheinend am letzten Freitag in der Redaktion und wollte etwas erzählen. Mario hat ihn abserviert. Vielleicht hat er noch einmal angerufen, aber Ingeborg erinnert sich nicht. Und«, ich holte tief Luft, »ich hatte gestern schon so ein seltsames Gefühl, aber jetzt vermute ich, dass er umgebracht wurde.«
    Bislang hatte ich das in diesen Worten noch nicht einmal gedacht, nun kam es mir wie der einzig logische Schluss vor.
    Andys Blick war skeptisch. »Weil er vorher hier in der Redaktion war?«
    »Quatsch! Oder auch, ja. Wer weiß. Er war nicht chronisch krank. Die Enkelin sagt, dass er noch völlig auf der Höhe war. Und er hat so geguckt, so voller Panik.«
    »Das war das mit dem seltsamen Gefühl », versetzte Andreas leicht spöttisch.
    Ich wollte mich nicht mit ihm herumstreiten. »Ist ja auch egal. Wir werden nie erfahren, was er hier wollte, geschweige denn, ob er umgebracht wurde, weil wir zu viel zu tun haben und alle im Stress ersticken und du hier noch den Betrieb aufhältst, weil du den Chef spielen willst, obwohl du krank bist!«
    Mit einer beschwichtigenden Geste hob Andy die Hände. » Ich bin schon wieder weg. Und ich bin sicher, du findest eine Möglichkeit, herauszufinden, was er uns mitteilen wollte.«
    Er griff zum Telefon und gab die Nummer der Taxizentrale ein.
    *
    »Ich habe mich bei Ingeborg entschuldigt«, berichtete ich Andreas am Abend erschöpft. »War mir schon peinlich, dass ich ausgerechnet die gute Seele so angefaucht habe.«
    Es war wieder spät geworden. Müde und hungrig hatte ich mir auf dem Nachhauseweg eine Pizza geholt, die ich nun gierig in mich hineinstopfte. Andy ging es sehr viel besser, er hatte geduscht, sich rasiert und lag in sauberen Sachen auf der Couch im Wohnzimmer, als ich kam. Jetzt saß er mir in der Küche gegenüber, schielte sogar auf mein Essen. Ich musste lachen und schnitt ein Stück Rand ab, reichte es über den Tisch. Er verzog das Gesicht.
    »Sei vernünftig«, redete ich ihm zu. »Das oder Zwieback.«
    »Bloß keinen Zwieback mehr!« Er nahm das Teigstück. » Wahrscheinlich sollte ich mich freuen. Ich hab mindestens zwei Kilo abgenommen.«
    Ich goss mir ein Glas Rotwein ein. »Ach ja, deine geheimen Lebensmittelreserven in der Redaktion sind nahezu aufgebraucht!«
    »Was? Die waren für schlechte Zeiten!« Er zeigte sein jungenhaftes Grinsen und überzeugte mich damit endgültig, dass er das Schlimmste überstanden hatte. »Gut, dass die Sache mit Ingeborg aus der Welt ist. Mario hättest du ja ruhig zur Schnecke machen können.«
    »Kannst du gerne übernehmen, wenn du wieder da bist.« Ich reichte ihm noch ein Stück Pizzarand. »Dann habe ich auch hoffentlich ein bisschen Zeit, mich mit dem alten Herrn zu befassen. Heute bin ich zu gar nichts mehr gekommen.«
    »Also, nochmals zum Mitschreiben: Warum bist du dir so sicher, dass da etwas nicht stimmt? Und warum krieg ich nicht wenigstens ein kleines Stück mit Champignons?«
    »Es ist dein Magen.« Ich hielt ihm eine Gabel mit Belag hin. »Ach, sicher bin ich doch überhaupt nicht.« Wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass mir selbst mein Verdacht mittlerweile überdreht vorkam. »Aber der Opi war schließlich jemand, der etlichen Leuten auf die Füße getreten ist. Und die Ärztin hat keine Sekunde gezögert, den Totenschein auszustellen. Ich finde, da darf man doch mal nachfragen!« Ich klang
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