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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos
Autoren: Beate Baum
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ist gestern Abend gestorben«, brach ich die Diskussion ab. Ich schilderte kurz die Umstände, die mich in die Wohnung geführt hatten. Meine Gefühle behielt ich für mich. »Ich hätte gern einen kleinen Nachruf im Blatt. Hans, wenn du dich so gut an die Kläranlagen-Geschichte erinnerst, kannst du das übernehmen? Ein paar Details aus seinem Leben kann ich dir noch nennen.«
    Hans nickte, und ich beendete die Konferenz, ging mit meinen Unterlagen in Andys Büro. Simone schloss auf dem Flur zu mir auf.
    »Dieser alte Mann«, begann sie, »er war letzten Freitag hier.«
    Überrascht blickte ich sie an, deutete auf den Besucherstuhl und lud meinen Papierstapel auf dem Tisch ab.
    »Ich bin gerade in die Redaktion gekommen, als er ging. Es sah aus, als hätte Mario ihn weggeschickt.« Sie zögerte. » Ich will niemanden verpfeifen, aber dass er das jetzt noch nicht mal erwähnt hat …«
    Nachdenklich nickte ich. Mario war ein begnadeter Texter, menschlich fand ich ihn aber mehr als schwierig. Ich dankte Simone und wählte, nachdem sie gegangen war, Marios Nummer, bat ihn, ins Chefbüro zu kommen.
    Sekunden später stand er schon vor mir, lächelte einnehmend. Obwohl er groß und kräftig war, hatte er etwas Graziles an sich, sein Auftreten war das eines Tänzers. Dahinter verbarg sich jedoch die Sturheit eines Bauern.
    »Warum hast du nicht gesagt, dass Heinz Wachowiak letzte Woche noch mal hier war?«
    Er zuckte die Achseln. »Wieso ist das wichtig? Er war doch andauernd hier.«
    »Was wollte er?«
    »Keine Ahnung. Ich musste weg, sonst war keiner hier, also hab ich ihn gebeten, später wiederzukommen. Erinnere dich, Ende letzter Woche war hier auch schon die Hölle los.« Mario schielte auf seine Armbanduhr, wohl, um zu signalisieren, dass er auch jetzt für das Gespräch keine Zeit hatte.
    »Aber er ist nicht wiedergekommen?«, versuchte ich, die Zügel in der Hand zu behalten.
    Erneutes Achselzucken. »Ich denke nicht. Also, wenn es das war.« Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern verschwand aus dem Büro.
    Ich holte tief Luft und beruhigte mich mit einem Schokoriegel aus Andys Geheimvorrat, bevor ich ins Sekretariat ging.
    »Ingeborg, kam irgendwann in den letzten beiden Tagen ein Anruf von Heinz Wachowiak bei dir an?«
    Die Sekretärin blickte mich verständnislos an. Sie nahm nicht an den Konferenzen teil, deshalb musste ich auch ihr noch einmal erklären, um wen es sich handelte.
    »Ich meine nicht«, überlegte Ingeborg schließlich laut. »Aber hier ist ja auch schon die ganze Woche der Teufel los!«
    »Ich weiß, was hier los ist, verdammt noch mal!« Fast erschrak ich selbst über meinen Ausbruch. »Schließlich stecke ich mitten drin. Trotzdem kann man sich doch wohl an was erinnern!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte ich hinaus und direkt zu meinem Termin bei der Messegesellschaft.
    Als ich zurückkam, war ich völlig erledigt. Die Pressesprecher der Messe GmbH, die seit Jahren im Verdacht stand, ihre schlechten Bilanzen zu verschleiern, hatten eine ausgefeilte Power-Point-Präsentation auf die versammelten Journalisten abgefeuert. Unmengen an Zahlen, Statistiken und Kurven, schwer zu durchschauen, kaum zu hinterfragen. Ein paarmal waren mir während der Abfolge bunter Bildchen, begleitet von der professionellen Stimme des PR-Mannes, die Augen zugefallen. Für meinen Artikel würde ich die dicke Pressemappe ein weiteres Mal in allen Einzelheiten durchforsten müssen. Wozu ich eigentlich überhaupt keine Zeit hatte.
    Tief in Gedanken ging ich in Andreas’ Büro – und blieb wie angewurzelt in der Tür stehen, als ich ihn dort am Schreibtisch sah.
    »Hi!« Er war noch immer kreidebleich, lag fast in seinem Stuhl, genoss aber offensichtlich meine Verwirrung. »Ich dachte, ich sollte dich ein bisschen unterstützen.«
    »Du gehörst ins Bett! Wie bist du überhaupt hergekommen? Du bist doch nicht Auto gefahren?« Wenigstens sahen seine Augen nicht mehr so fiebrig aus, dachte ich erleichtert.
    »Nein, nein. Mit einem Taxi. Ich hab mich eben gelangweilt.« Er richtete sich auf.
    »So siehst du aus!« Ich packte meine Mappe auf seinen Schreibtisch. »Aber wenn du schon hier bist: Hast du die jüngsten Gerüchte parat?« Mit dem Mittelfinger tippte ich auf das Logo der Messegesellschaft.
    »Klar.« Andy legte seine Hand auf meine. »Es heißt, dass die stellvertretende Chefin etwas überfordert ist.«
    »Was? Wie? Welche stellvertretende Chefin?« Ich zog meine Hand weg und strich müde eine
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