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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos
Autoren: Beate Baum
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Straße.«
    Das Bier spritzte in alle Richtungen, als Ronnie die Flasche an der Hauswand zerschlug. Mit erstaunlich sicheren Bewegungen sprang er die Treppe hinunter, geradewegs auf mich zu und riss mich um. Ich spürte einen brennenden Schmerz am Hals. Dann lag er auf mir, ich roch seinen sauren Atem und begann zu würgen. Er hob den Oberkörper an und holte mit dem rechten Arm aus. Die zackigen Ränder der halben Bierflasche glänzten bedrohlich.
    »Du bist das, du alte Fotze!« Er spuckte aus, und obwohl ich den Kopf zur Seite warf, traf der klebrige Schleim meinen Mund.
    Ohne es kontrollieren zu können, übergab ich mich in einem hohen Schwall. Ronnie zuckte zurück, und endlich reagierte Jonas, riss ihm den Arm mit der Flasche auf den Rücken. Ich sah die beiden Männer herankommen, Dale sie im Laufschritt umrunden, dann wurde mir schwarz vor Augen.

16 .KAPITEL
    »Es ist nicht tief«, hörte ich Dales Stimme. Ich öffnete die Augen und sah ihn neben mir knien. »Kannst du aufstehen?«
    »Sicher.«
    Die linke Halsseite brannte noch immer, der Geschmack im Mund war ekelhaft, ich war aber nur froh, dass alles vorbei war. Dale reichte mir die Hand und half mir auf, wandte sich dann zu Ronnie, den Jonas noch immer fest im Griff hatte. Er starrte auf den Boden, schien überhaupt nicht anwesend zu sein. Dale zog eine Art Gummiriemen aus der Jackentasche und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken.
    »Willst du ihn nicht auch knebeln? Er spuckt ja wie ein Lama«, fragte Jonas, und die Erinnerung ließ spontan eine neue Welle der Übelkeit in mir aufsteigen.
    Vorsichtig schaute ich an mir herunter. Die alte Jeansjacke sah grauenhaft aus.
    »Komm mit, Schätzchen«, sprach mich plötzlich die Frau von vorher an.
    Sie hatte sich durch die beiden Männer, die an der Treppe stehen geblieben waren, hindurchgeschoben und legte mir den Arm um den Rücken, führte mich ins Gambrinus-Eck, durch den verqualmten Kneipenraum hindurch in das Frauen -WC. Dort wollte sie mir helfen, die Jacke zu öffnen, ich wehrte sie jedoch ab.
    »Bitte, das sollen Sie nicht tun.«
    »Was meinst du, bei wie vielen besoffenen Kerlen ich das schon gemacht habe?«
    Aus der Nähe sah ich, dass sie älter war, als ich dachte. Eher Anfang 30 als Mitte 20. Mit spitzen Fingern arbeitete ich die Knopfleiste ab, sie machte sich an einem Verschlag in der Wand zu schaffen und brachte einen Müllbeutel zum Vorschein, hielt ihn mir hin. Ich stopfte die Jacke hinein und wusch mir gründlich Gesicht und Hals ab, versuchte, die Wunde am Hals zu begutachten, sah jedoch zu wenig. Mein helfender Engel beugte sich vor.
    »Das müssen wir desinfizieren. Warte mal.«
    Sie stöckelte hinaus.
    »Es ist vorbei«, sagte ich zu meinem blassen Spiegelbild.
    An einzelnen Stellen war meine Haut vom Waschen gerötet und glühte ungesund. Nasse Haarsträhnen fielen in die Stirn und sahen sehr dunkel aus. Ich sehnte mich nach einer Dusche, besser noch einem Schaumbad und vielen Stunden Schlaf in frisch gewaschener, duftender Bettwäsche. Stattdessen stand ich, notdürftig gereinigt, in einem Waschraum, in dem vor Jahrzehnten die Zeit stehen geblieben zu sein schien: Keine Fliesen, stattdessen abgestoßenes PVC auf dem Boden, die Wände mit einer abwaschbaren Farbe gestrichen, alles in Beige-Braun.
    Immerhin gab es einen Spiegel. Ich erinnerte mich an meine ersten Monate in Erfurt. Damals war es normal gewesen, dass in den Toiletten von Kneipen und Gaststätten keinerlei Möglichkeit bestand, sich zu betrachten. Ich hatte immer gerätselt, ob das Glas knapp gewesen war oder Eitelkeit als unsozialistisch galt. Vermutlich lautete die Antwort wie immer in solchen Fällen: erst das eine, dann das andere.
    »Achtung, das brennt jetzt.«
    Meine Helferin war mit einer Flasche Korn zurückgekehrt. Sie gab einen ordentlichen Schwall auf ein zerknülltes Papierhandtuch und tupfte damit die Wunde ab. Ich unterdrückte einen Aufschrei.
    »So, nun ein Pflaster, und dann heile, heile Gänschen.«
    Mit ihren langen, knallroten Fingernägeln zog sie geschickt die Folie von einem großen Heftpflaster und klebte es mir auf.
    »Und innerlich gegen den Schock.« Sie hielt mir die Flasche hin.
    Ich schüttelte den Kopf. »Lieber nicht.«
    »Komm, ist Medizin.«
    »Nicht für Schwangere.«
    »Mädchen!« Sie nahm selbst einen großen Schluck aus der Flasche. »Du bist aber eine ganz Harte, was?«
    Ich warf noch einen Blick auf mein Spiegelbild und zuckte die Achseln: »Im Moment fühle ich mich eher
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