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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos
Autoren: Beate Baum
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trinkst. Falls du danach noch schnell reagieren kannst.«
    Während er sich schon an der umgeklappten Lehne vorbei ins Freie schob, gab Jonas ein schnaubendes Geräusch von sich, sagte nichts. Ich nickte Dale zu, der im Wagen sitzen blieb, und wir schlenderten auf die Kneipe zu.
    Das Innere war klein, ein einziger Raum, an dessen Seitenwand sich ›Sternquell‹-Kästen bis an die Decke stapelten. Zwei Männer standen an der Theke, drei weitere saßen an einem Tisch am Fenster. Alle rauchten, und mir wurde sofort übel. Ich bat Jonas, mir ein Malzbier mit herauszubringen und ging schnell wieder auf die Straße.
    Da standen noch immer die drei Kerle von vorhin, auch sie rauchten, zum Glück wurde der Qualm aber von der feuchten Nachtluft absorbiert. Einer von ihnen musste drei Zentner wiegen, sein gewaltiger Bauch hing wie ein Ballon über der Jeans, die um die Beine herumschlabberte. Auch den anderen beiden sah man die vielen Biere, die sie vermutlich täglich konsumierten, an, neben ihrem Kumpel wirkten sie jedoch geradezu schlank. Alle drei beäugten mich neugierig. Vermutlich verirrten sich Frauen nur selten ins Gambrinus-Eck.
    Jonas kam mit zwei Bierflaschen heraus. »Guck mal lieber, ob du ein Verfallsdatum findest«, riet er mir. »Er musste so lange danach suchen.«
    »Egal, wenn es noch schmeckt, ist es okay.«
    Ich wollte so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Wir fielen ohnehin genug auf. Jonas trug Designerjeans und eine Lederjacke, die garantiert etliche 100 Euro gekostet hatte, die auffällige, schwarz eingefasste Brille machte ihn in den Augen der anderen Gäste wahrscheinlich zum Intellektuellen. Wenigstens würden sie auch seine Frisur nicht als das Kunstprodukt, das sie war, identifizieren.
    Ich hatte extra gammelige Klamotten angezogen – was total falsch war, wie mir klar wurde, als eine junge Frau auf die Kneipe zukam. Sie trug hohe Pumps, knallenge Röhrenhosen und eine mit Strass besetzte Kunstlederjacke, in deren offenem Kragen ein pralles Dekolleté zur Geltung kam. Mit einem lässig geworfenen Handkuss stöckelte sie an den Männern vorbei die Stufen hinauf in die Kneipe hinein. Den Hinweis hätte Dale mir geben können, dachte ich verärgert. Aber gut, in solchen Schuhen könnte ich niemals schnell weglaufen, und eine vergleichbare Jacke wies mein Schrank nicht auf.
    »Das ist das fürchterlichste Bier, das ich jemals getrunken habe«, beschwerte Jonas sich leise.
    »Tröste dich, meins ist auch nicht besser.«
    Dale stieg aus seinem Auto, schloss es ab und bewegte sich die Altonaer-Straße hoch, weg von der Kneipe. Was hatte er vor? Da sah ich von der anderen Seite Ronnie herankommen, unsicher auf den Beinen, schmal und jung wirkend.
    Dale hatte die Straßenseite gewechselt und kam im Schatten der Häuser wieder näher. Ich gab Jonas ein Zeichen, dass es losging.
    Ronnie stierte geradeaus, nichts als den Eingang im Blick. Er ging ganz dicht an uns vorbei, bemerkte mich aber nicht.
    »Also los!«, flüsterte ich, als er im Innern verschwunden war.
    Wir hatten nichts vorbereitet, und ich kam mir vor wie auf der Bühne eines Schmierentheaters, als Jonas viel zu laut und mit übertriebener Betonung prahlte, dass »wir es den Nazis gegeben haben. Einen Denkzettel haben sie gekriegt, den sie so schnell nicht vergessen werden!«
    Die drei Männer schauten zu uns herüber. Ich ergriff das Wort und hörte mich genauso unmöglich an. »Ja, die werden so schnell niemanden mehr zusammenschlagen!«
    Ronnie tauchte in der Türöffnung auf, eine Flasche Bier in der Hand. Neben ihm stand die aufgetakelte Frau, einen Arm um seine Schulter gelegt.
    »Verdammte Hooligans!«, fluchte ich, und das klang authentisch.
    »Die werden ordentliche Haftstrafen kriegen – und wir haben dafür gesorgt«, fiel Jonas ein.
    Ronnie blieb oben auf der Treppe stehen, schwankend. War er zu besoffen, um uns zu verstehen? Die Frau sagte etwas zu ihm, er schüttelte sie unsanft ab. Die ganze Zeit starrte er mich an, versuchte wohl, sich zu erinnern, wo er mich schon gesehen hatte. Der dicke Mann verabschiedete sich nach einem irritierten Blick auf uns von seinen Saufkumpanen; als er um die Ecke bog, schien er den gesamten Bürgersteig einzunehmen. Die beiden anderen wandten sich ein wenig von uns ab.
    »Die Bullen wollen ja in den nächsten Tagen eine große Razzia machen, dann werden sie wohl noch mehr einlochen«, fantasierte ich. »Wir müssen noch einmal aussagen, und dann ist auch der letzte Dreck weg von der
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